Migrationsexperten ziehen gemischte Bilanz
Experten sehen "Lichter am Ende des Tunnels" in Sachen Integration, finden das geplante Betreuungsgeld aber fatal. Die Zahl der Zuwanderer verharrt unterdessen auf niedrigem Niveau.

Nach den ersten 100 Tagen der schwarz-gelben Koalition hat der Sachverständigenrat für Migration eine gespaltene Bilanz der Regierungsarbeit gezogen. Zwar gebe es einige "Lichter am Ende des Tunnels" wie die Verlängerung der Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge oder das geplante Anerkennungsgesetz für im Ausland erworbene Abschlüsse. Noch seien aber viele integrationspolitische Hausaufgaben nicht angepackt, erklärte der Vorsitzende des von mehreren Stiftungen gegründeten Gremiums, Klaus Bade, am Mittwoch in Berlin.

Scharf kritisierte der Osnabrücker Migrationsforscher das vorgesehene Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen: "Durch diese fatale Fehlentscheidung hat die Koalition ihre eigene Integrationspolitik gleich mehrfach torpediert." Kindern aus sozial benachteiligten Schichten werde durch das Betreuungsgeld "der frühe Einstieg in den Aufstieg durch Bildung" verbaut, wie er durch den Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen möglich wäre. Zudem fehle damit das Geld für die integrationspolitisch viel wichtigere Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für Kinder unter drei Jahren.

Kritik an Bestimmungen zu doppelter Staatsbürgerschaft

Korrigiert werden müsste ferner die umstrittene Optionsregelung, nach der sich beispielsweise Kinder aus türkischen Familien bis zum 23. Lebensjahr für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden müssten. EU-Ausländer dürften hingegen zwei Pässe haben.

Ein richtiger Schritt sei hingegen das geplante Anerkennungsgesetz für im Ausland erworbene Abschlüsse. Allerdings sollte den Auswanderungsmotiven von Tausenden in Deutschland ausgebildeten Medizinern mehr Beachtung geschenkt werden. "Wenn wir die Arbeitsbedingungen unserer Ärzte ändern, sparen wir Ausbildungskosten und brauchen weniger Ersatz von außen", erklärte Bade.

Migrationsbericht: mehr Fort- als Zuzüge

Aus dem neuen Migrationsbericht, den das Bundeskabinett am Mittwoch gebilligt hat, geht hervor, dass die Einwanderung nach Deutschland auf niedrigem Niveau verharrt: Im Jahr 2008 gut 682.000 Menschen nach Deutschland - ähnlich viele wie in den beiden Vorjahren. Noch in der ersten Hälfte der 90er Jahre waren jährlich mehr als eine Million Zuwanderer registriert worden. Gleichzeitig gab es 2008 fast 738.000 Fortzüge aus Deutschland - so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr. Diese Zahl ist nach Angaben der Statistiker allerdings wenig aussagekräftig: Zahlreiche Abmeldungen seien auf eine bundesweite Bereinigung der Melderegister zurückzuführen.

Von den ausländischen Zuwanderern kamen fast drei Viertel aus Europa, vor allem aus den EU-Staaten. Die größte Gruppe mit rund 120.000 Zuzüglern stellten die Polen gefolgt von Rumänen, Türken und Ungarn. Gleichzeitig wanderten auch mehr als 108.000 Deutsche in die Bundesrepublik ein. Dabei handelte es sich vorwiegend um zurückgekehrte Auswanderer. Die 4.362 Spätaussiedler, die größtenteils ebenfalls als Deutsche in der Statistik auftauchen, machen hingegen nur noch einen geringen Anteil aus.

Mehr ausländische Studienanfänger als je zuvor

Aus dem Bericht geht auch hervor, dass es an Deutschlands Hochschulen im Wintersemester 2008/2009 mehr als 52.000 ausländische Studienanfänger gab und damit so viele wie nie zuvor. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sieht dies als positives Zeichen. Die deutsche Wirtschaft sei zunehmend auf die Fähigkeiten von Zuwanderern angewiesen.

Infos im Internet: Sachverständigenrat Migration,

epd/dpa/evangelisch.de