Schatz in der Mülltonne wartet auf Rohstoffnutzer
Jeder Deutsche produziert jeden Tag 1,25 Kilogramm Müll. Die Abfallmenge ist im Jahr 2008 leicht gesunken - aus dem, was weggeworfen wird, lässt sich vieles wiederverwerten. Müllvermeidung bleibt dennoch auf der Tagesordnung.
02.02.2010
Von Sabine Ränsch

Tatkräftig und ohne Bezahlung häufen die Bürger in Deutschland Jahr für Jahr einen Riesenberg an Rohstoffen auf. Rund 20,5 Millionen Tonnen ausgelesene Zeitungen, leer getrunkene Glasflaschen, ausgediente Verpackungen und Essensreste haben die Bundesbürger 2008 vor der grauen Restmülltonne bewahrt und fein säuberlich sortiert, damit daraus wieder Brauchbares entstehen kann. Ohne die Mülltrennung käme mehr als doppelt so viel Abfall in die Verbrennungsanlagen. Rund 37,2 Millionen Tonnen Abfall fielen bei den Haushalten an, 200.000 Tonnen weniger als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag berichtete. Mehr als die Hälfte - 55 Prozent - wird wiederverwendet.

Aus dem Abfall wäre noch viel mehr herauszuholen. Zum Verbrennen sei Müll viel zu schade, sagt Karsten Hintzmann vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft in Berlin. "Was man verbrannt hat, ist für immer weg." In den Restmülltonnen seien noch enorme Materialreserven zu heben. In die gelben Säcke werde derzeit nur Verpackungsabfall geworfen. Der Verband wünscht sich eine Möglichkeit, alle trockenen Wertstoffe getrennt zu sammeln - also neben Joghurtbechern auch ausgedientes Kunststoffspielzeug, Kabelreste, kaputtes Werkzeug - eben alles, was Plastik oder Metall enthält. Das Recycling sei inzwischen so perfektioniert, dass aus Plastikmüll nicht nur Parkbänke oder Lärmschutzwände entstehen, sagt Hintzmann. Mit sortenreiner Sortierung könne wieder Original-Kunststoff gewonnen werden.

Recycling spart sieben Milliarden

In Zeiten versiegender Rohstoffquellen müssten alle verwertbaren Stoffe im Kreislauf gehalten und so oft wie möglich wiederverwendet werden. Schon jetzt erspare das Recycling der Volkswirtschaft Rohstoffimporte im Wert von rund sieben Milliarden Euro im Jahr, rechnet Hintzmann vor. Anders als Erdöl, Kohle und Gas wird es Müll zwar immer geben. Mehr Abfall wird aber nicht zusammenkommen, im Gegenteil: Politisch ist Vermeidung gewollt. Seit 2003 ist die Menge in Deutschland ungefähr gleich geblieben, nach dem derzeitigen Stand ist auch die Abfalltrennung ausgereizt.

Und so schielen die Fachleute bereits auf die Abermillionen Tonnen alten Hausmülls, die jahrzehntelang unbehandelt und unsortiert auf Deponien geworfen wurden, bis die 2005 verboten wurden. Seitdem wandert das, was gar nicht mehr brauchbar ist, in die Müllöfen. Langfristig könnten die alten Müllkippen zu Wertstoffquellen werden, meint Hintzmann. "Da liegt bestimmt Potenzial drin", sagt auch Eric Heymann von der Forschungsabteilung der Deutschen Bank. Allerdings vorerst eher in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo Wertstoffe kaum sortiert wurden. In Deutschland könnte das «urban mining» in einigen Jahrzehnten wirtschaftlich interessant werden.

Ausbuddeln oder abdichten

In Mittelhessen wird in den nächsten drei Jahren wissenschaftlich untersucht, ob die Deponie Reiskirchen zur "Ressourcenrückgewinnung" taugt. Forscher der Universität Gießen sollen im Auftrag des Landkreises zunächst herausfinden, was alles in der 2001 geschlossenen Müllkippe liegt und brauchbar sein könnte. Rund 23 Millionen Tonnen Abfall wurden dort in knapp 30 Jahren abgelagert. Nach der Bestandsaufnahme werde entschieden, ob sich das Ausbuddeln lohnt oder die Deponie für zehn Millionen Euro endgültig abgedichtet wird, sagt Abfallwirtschaftsdezernent Dirk Oßwald. Immerhin koste es auch viel Geld, den Müll zu lassen, wo er ist: Für die Nachsorge in den nächsten Jahrzehnten seien hohe zweistellige Millionenbeträge nötig.

dpa