"Direkt zur Online Scheidung" steht auf einer Internetseite. Darunter ist ein großer Ausschalter abgebildet. Wer hier klickt, will seine Ehe beenden. Seiten, auf denen Onlinescheidungen angeboten werden, gibt es etliche. Oft werden sie von Anwälten betrieben, die auf der Suche nach neuen Mandanten sind. Wolfgang Bramer ist einer von mehr als 150.000 Anwälten, die in Deutschland zugelassen sind. Auch der Bonner Fachanwalt für Familienrecht bietet ein "Scheidungsformular" an, das am Bildschirm ausgefüllt und elektronisch in seine Kanzlei gesandt wird. Für ihn ist die Onlinescheidung keine neue Erfindung. Seit Jahren biete er diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme an: "Das ist für mich eine Akquisemaßnahme", sagt er.
Per Mausklick geschieden – das suggeriert nur die Werbung. Isabell Götz, Pressesprecherin des Deutschen Familiengerichtstags, erläutert: "Sich online scheiden zu lassen funktioniert überhaupt nicht." Die Familienrichterin am Oberlandesgericht München erklärt den Hintergrund: "Eine Scheidung findet immer im Gerichtsgebäude statt und immer sind die Leute dabei." Auf das sogenannte "persönliche Erscheinen" werde nur in sehr seltenen Ausnahmefällen verzichtet.
Per Internet lässt sich bei der Scheidung sparen
Das Internet eignet sich daher nicht, wenn man den Ehepartner am liebsten nie mehr sehen will. Dafür werben die Seiten aber mit Kostenersparnis. Denn bei einer einvernehmlichen Scheidung muss nur ein Ehepartner den Anwalt beauftragen, nicht beide. Das kostet weniger, bestätigt auch Familienrichterin Götz. Es spielt dabei keine Rolle, wie man Kontakt zum Anwalt aufnimmt, ob persönlich, per Brief oder über das Internet.
Einvernehmlich heißt, dass die Paare sich ohne Anwälte über Hausrat, Vermögen, Unterhalt, elterliche Sorge, Umgang mit den Kindern, die Wohnung und alles andere, was sie in der Ehe geteilt haben, einigen. Infrage kommen dafür vor allem Paare, die schon seit längerem getrennt leben, die ein annähernd gleich hohes Einkommen haben, möglichst kinderlos sind und kein nennenswertes Vermögen zu teilen haben. Götz sagt: "Es gibt solche Fälle, aber sie sind selten." Wenn der gescheiterte Lebenstraum abgewickelt wird, ist das auch in diesen Fällen mit Emotionen verbunden, weiß die Familienrichterin: "Ich habe es auch erlebt, dass Menschen, die seit langem getrennt lebten, vor Gericht noch die Tränen gekommen sind."
Alles in allem dauert eine Scheidung vor Gericht, wenn das Schriftliche erledigt und das Trennungsjahr vorbei ist, nur noch wenige Minuten. Götz sagt: "In der Regel setzen die Kollegen etwa eine Viertelstunde für eine Scheidung an."
Anwälte müssen auch bei Online-Scheidung noch beraten
Bei der online angebahnten Scheidung hat der Anwalt im Wesentlichen nur noch zwei Aufgaben: Er schreibt einen Scheidungsantrag und geht mit seinem Mandanten zum Scheidungstermin. Oft trifft er ihn vor dem Gerichtssaal zum ersten Mal. Nach dem Termin schreibt der Anwalt seine Rechnung. Rechtsanwalt Thilo Wagner aus Köln sieht solche Onlinescheidungen kritisch. Er sagt: "Ich nehme es mit Erstaunen zur Kenntnis, dass einige Kollegen das so verkaufen, als sei das alles ganz einfach." Er würde nicht auf das Gespräch mit dem Mandanten verzichten: "Jeder Scheidungsfall ist individuell und schon die Trennung allein ist für die Mandanten emotional hochanstrengend", sagt er. Vorteile habe die Onlinescheidung aus seiner Sicht keine. Sie sei weder preiswerter noch schneller oder unkomplizierter. Auch, wenn die Werbung mit der Billigscheidung etwas anderes glauben lässt, Wagner stellt klar: "Ein Anwalt ist auch bei der Onlinescheidung zur Beratung verpflichtet."
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Das Geschäft mit der Scheidung hat inzwischen auch Internetfirmen auf den Plan gerufen. So betreibt die Düsseldorfer Added Life Value AG gleich ein ganzes Bündel von Internetseiten, die sich mit Beziehungen und Trennungen beschäftigen. Christopher Pruefer gehört zum Vorstand des Unternehmens. Er sagt: "Das ist ein Milliardenmarkt". Nicht etwa, weil Menschen, die sich trennen, Geld zu verschenken hätten, sondern weil sie Informationen suchen. Die finden sie auch bei Beratungsstellen, in Büchern und beim Anwalt vor Ort, doch das Internet steht vielen unmittelbar zur Verfügung. Die Düsseldorfer Firma ist auf dem Markt flink unterwegs. Eine öffentliche Scheidungsparty hat man schon organisiert, im Laufe des Jahres ist Deutschlands erste Scheidungsmesse geplant. Die erste Messe dieser Art fand in Polen statt. Laut Pruefer besuchten sie zwischen 200 und 300 Menschen.
"Scheidung light" ist nie Gesetz geworden
Per Klick zum Anwalt – das kann aber trotz mancher Vorteile auch Probleme mit sich bringen. So sagt Axel Gutenkunst, Datenschutzbeauftragter der evangelischen Landeskirche Württemberg, dass selbst die Suche nach einem Anwalt auf dem heimischen PC nicht immer geheim bleibt: "Derjenige, der in der Familie die besseren EDV-Kenntnisse hat, könnte das mitbekommen." Der "private Modus" einiger Browser biete hier eine gewisse Sicherheit. Bei den Online-Scheidungsformularen sieht er die Anbieter in der Pflicht: "Sie sollten auf ihrer Seite erklären, wie sie sicherstellen, dass nur sie Zugang zu den Daten haben." E-Mails sollten verschlüsselt werden und der Anbieter sollte dem Nutzer erklären, wie er das auf seinem PC einrichtet, sagt Gutenkunst.
Datensicherheit ist natürlich auch für die Webseitenbetreiber kritisch. Claudia Heinkel, die beim Bundesverband des Diakonischen Werk für Familienberatung zuständig ist, sagt: "Es spricht nichts dagegen, sich im Internet zu informieren." Aber Datenschutz ist dabei sehr wichtig. Daher hat die Diakonie hat für ihre Online-Familienberatung einen sehr hohen Sicherheitsstandard aufgebaut. Heinkel sagt: "Durch die Datenskandale sind inzwischen viele Menschen auch sensibilisiert. Die Verantwortung für die Sicherstellung des Datenschutzes haben aber die Träger von Einrichtungen und Diensten wie zum Beispiel die Beratungsstellen."
Bereits 2006 hatte die damalige Bundesjustizministerin Zypries vorgeschlagen, dass Ehescheidungen in bestimmten Fällen auch ohne Anwalt ausgesprochen werden können. Voraussetzung dafür sollte sein, dass die Eheleute bei einem Notar übereinstimmend erklären, dass sie sich einvernehmlich trennen. Der Vorschlag ist in dieser Form aber nie Gesetz geworden. Das Vorhaben wurde als "Scheidung light" bekannt. Bei der Onlinescheidung ist die Hürde dagegen tatsächlich noch niedriger. Während die Ehegatten bei der "Scheidung light" sich zumindest noch beim Notar hätten treffen sollen, sind sie bei der online angebahnten Scheidung nach 15 Minuten vor Gericht schon geschieden.
Anja Wollschläger ist freie Journalistin und ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte.