Vor 20 Jahren: Nelson Mandela wird freigelassen
Paarl ist ein kleiner Weinort bei Kapstadt. Vor 20 Jahren rückte er plötzlich ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Tausende Menschen säumten bei strahlender Sonne die Hauptstraße, Journalisten drängelten sich um die besten Plätze. Dann öffnete sich am 11. Februar 1990 das Tor des Victor-Verster-Gefängnisses: Hand in Hand mit seiner damaligen Frau Winnie schritt der berühmteste Häftling der Welt nach fast 28 Jahren Gefangenschaft in die Freiheit - Nelson Mandela.
01.02.2010
Von Michael Ruffert

"Es war ein ungeheures Gefühl, ihn frei zu sehen", erinnert sich Hildegard Zumach (83), damals Generalsekretärin der Evangelischen Frauenarbeit. Mit der Aktion "Kauft keine Früchte der Apartheid" hatten sich die evangelischen Frauen jahrelang für ein Ende der Rassentrennung in Südafrika eingesetzt.

Mandela war und ist die Symbolfigur des Kampfes gegen die Apartheid. Als er freikam, war er 71 Jahre alt. "We are free at last" ("Wir sind endlich frei"), sagte er an jenem denkwürdigen Tag und reckte vor der jubelnden Menge die Faust in die Luft.

Nur wenige Monate zuvor hatte Zumach bei einer Reise durch Südafrika mit einer Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland gespürt, dass der Wandel in der Luft lag. "Unsere Gesprächspartner in Kirche und Politik drückten viel Hoffnung aus", erinnert sie sich.

Mandelas beeindruckende Versöhnungsgeste

Die Delegation traf auch mit dem weißen Staatspräsidenten Frederik Willem de Klerk zusammen. Wenig später, am 2. Februar 1990, leitete De Klerk das Ende der Apartheid ein, indem er das Verbot der schwarzen Befreiungsbewegung "Afrikanischer Nationalkongress" (ANC) aufhob. "Die Apartheid war damals wie ein reifer Apfel, der fallen musste", erinnerte sich auch Helmut Orbon, damals Anti-Apartheid-Aktivist. Die Kosten der Rassentrennung lasteten schwer auf der südafrikanische Wirtschaft, hinzu kam der Druck durch die Sanktionen, der Widerstand der Befreiungsbewegung - und das Ende der Ost-West-Konfrontation.

Orbon, der heute für die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Botswana arbeitet, organisierte damals im benachbarten Simbabwe Gespräche zwischen weißen Südafrikanern, ANC-Aktivisten und Vertretern von Kirchen und nichtstaatlichen Gruppen. Es ging um einen Dialog zwischen Schwarz und Weiß und die Zukunft Südafrikas.

Nach seiner Freilassung war auch Mandela dabei. "In einem Hotel in Harare setzte er sich wie selbstverständlich zwischen zwei junge burische Studentinnen und unterhielt sich mit ihnen auf Afrikaans", erzählt Orbon immer noch beeindruckt von dieser Versöhnungsgeste. Afrikaans war die Sprache der Buren, also der verhassten weißen Unterdrücker. Den skeptischen Blicken einiger ANC-Anhänger entgegnete Mandela erklärend und fast tadelnd: "Wir können doch nicht die Kinder für die Sünden ihrer Väter verantwortlich machen."

Zwischen Neuanfang und enttäuschten Hoffnungen

Es ist nicht zuletzt dieser versöhnenden Haltung Mandelas, diesem ständigen Eintreten für Ausgleich und Verzeihen, zu verdanken, dass der Wandel in Südafrika friedlich verlief. 1994 wurde Mandela, der heute 91 Jahre alt ist, zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt, später trat er freiwillig ab und überließ Thabo Mbeki seine Nachfolge.

"Südafrika ist zweifellos eine Demokratie", sagt Christian von Soest, Südafrika-Experte beim Institut für Afrika-Kunde in Hamburg. Zwar sei der ANC mit einer fast Zweidrittel-Mehrheit im Parlament die dominierende Kraft, aber der Wechsel zum neuen Präsidenten Jacob Zuma zeige auch innerparteiliche Demokratie.

Orbon sieht allerdings auch viele Hoffnungen enttäuscht. Er kritisiert eine neue "schwarze Elite", die sich bereichere - während in den Schwarzen-Siedlungen und den illegal errichteten Slums um die großen Städte weiter bittere Armut und Arbeitslosigkeit herrsche. Auch werde die Gefahr durch die Immunschwäche Aids sträflich vernachlässigt.

Christian von Soest betont das Positive: Es gebe wirtschaftliche Fortschritte, eine schwarze Mittelschicht habe sich herausgebildet. Und wie viele Südafrikaner blickt auch er bereits auf die bevorstehende Fußball-WM im Sommer am Kap. "Sie könnte ähnlich wie 1954 für die Deutschen ein sinnstiftendes Ereignis für Südafrika werden", hofft der Wissenschaftler.

epd