Vor 65 Jahren: Jesuit Alfred Delp von NS-Regime ermordet
Evangelisch erzogen, katholisch geprägt, ökumenisch gesinnt: Vor 65 Jahren wurde der Jesuit Alfred Delp in Berlin wegen seines Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime hingerichtet. Seine Aufzeichungen gelten als Beispiel für die Kraft, die der Glaube einem Menschen geben kann.
01.02.2010
Von Christian Feldmann und Bernd Buchner

"Ob dies ein Abschiedsbrief ist oder nicht, ich weiß es nicht. Das wissen wir heute ja nie. (...) Wie es mir geht? Da ist nicht viel zu sagen. Hab keine Sorge, ich bemühe mich, kein Kleinholz zu machen, auch wenn es an den Galgen gehen sollte. Gottes Kraft geht ja alle Wege mit." Diesen Brief schrieb der Häftling Alfred Delp Ende 1944 mit gefesselten Händen im Gefängnis Berlin-Tegel und schmuggelte ihn heimlich nach draußen.

Da hatte der Widerstandskämpfer noch sechs Wochen zu leben, in völliger Ungewissheit über sein Schicksal, immer wieder misshandelt und verprügelt. Vor 65 Jahren, am 2. Februar 1945, wurde Alfred Delp schließlich im Alter von 37 Jahren hingerichtet. Er starb am Galgen in Berlin-Plötzensee. Seine Asche wurde auf den Feldern verstreut, die Veröffentlichung einer Todesanzeige verboten.

Konfirmation und Kommunion

Heute gelten die Aufzeichnungen des Jesuiten als klassisches Beispiel für die Kraft, die der Glaube einem Menschen geben kann. In seiner Kerkerzelle lernte er Verlassenheit und Armseligkeit kennen, aber er entdeckte auch einen ganz nahen Gott. Am 15. September 1907 in Mannheim geboren und in einem gemischtkonfessionellen Elternhaus aufgewachsen, ließ Alfred Delp schon früh einen eigenen Kopf erkennen. Er besuchte die evangelische Volksschule - und freundete sich mit dem katholischen Pfarrer an. Er wurde zunächst konfirmiert, empfing aber dann die Erstkommunion.

Delp trat in den Jesuitenorden ein, wo seine intellektuelle Begabung und enorme Belesenheit allgemein anerkannt wurden - auch wenn der Novizenmeister Anstoß an seinen "protestantisch eingefärbten" Gedankengängen nahm. 1934 begann Delp ein Theologiestudium. Bald nach seiner Priesterweihe 1937 ging der Männer- und Arbeiterseelsorger und Zeitschriftenredakteur ("Stimmen der Zeit") auf offene Konfrontation zu den Nationalsozialisten.

Gegen die Entwürdigung der Menschen

Anders als viele christliche Regimegegner protestierte er nicht nur, wenn der eigene Besitzstand bedroht war, die Rechte der Kirche oder die katholische Lehre - so erhob die päpstliche Enzyklika "Mit brennender Sorge" nicht die Stimme gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Delp hingegen unterstützte und versteckte verfolgte Juden. Vor Männerseelsorgern in Fulda sagte er 1943: "Was helfen uns alle Proteste und alle Einsätze um spezifisch christliche oder kirchliche Eigentümlichkeiten, wenn vor unsern Augen der Mensch entwürdigt wird? (...) Mit dem Menschen stirbt der Christ."

Im Oktober 1941 begegnete Delp in Berlin Graf Helmuth James von Moltke, der einen Fachmann für christliche Soziallehre für den Kreisauer Kreis suchte - eine Widerstandsgruppe, die Modelle für einen Neuaufbau Deutschlands nach dem ersehnten Kriegsende entwickelte. Der Jesuit Delp wurde in diesem Kreis schnell zum Spezialisten für künftige gesellschaftliche und wirtschaftliche Konturen. Er dachte über eine soziale Umwälzung nach, die er "personalen Sozialismus" nannte: weitgehende Sozialisierung der Wirtschaft ohne Staatskapitalismus, wirksame Beteiligung der Arbeitnehmer an Führung und Ertrag ihres Unternehmens.

Zeichen der Ökumene

Die Freundschaft zwischen Delp und dem fast gleichaltrigen Graf Moltke hatte nicht nur herausragende Bedeutung für den christlich geprägten deutschen Widerstand, sondern bildete auch ein wichtiges ökumenisches Zeichen. Unter dem Terror des NS-Regimes fanden Katholiken und Protestanten leichter zusammen, dogmatisch-theologische Fragen rückten in den Hintergrund. Die vier Lübecker Geistlichen, ein evangelischer Pastor und drei Kapläne, die von der Kanzeln und in Flugschriften gegen die Verbrechen der Nazis protestiert hatten, starben sogar gemeinsam unter dem Fallbeil.

Delp wurde wenige Tage nach dem Stauffenberg-Attentat, am 28. Juli 1944, inhaftiert. Nach der Verlegung nach Berlin-Tegel schmuggelte der evangelische Gefängnisgeistliche Harald Poelchau Hostien und Messwein in Delps Zelle, damit dieser die Messe feiern konnte. Am 9. Januar 1945 begann vor dem Volksgerichtshof ein Schauprozess, der allem Recht Hohn sprach. Für den "Blutrichter" Roland Freisler ging es nicht so sehr um Putschpläne und Verschwörer - es ging um die Unverschämtheit, sich eigenständige Gedanken über die staatliche Ordnung gemacht, Hitler und der Partei ins Handwerk gepfuscht zu haben.

Gelassen in den Tod

Das Urteil erfolgte am 11. Januar: Todesstrafe wegen Hochverrats. Alfred Delp selbst formulierte es so: "Mein Verbrechen ist, dass ich an Deutschland glaubte auch über eine mögliche Not- und Nachtstunde hinaus." Bis zuletzt betete der Jesuit dafür, "dass Gott mich in der Kraft halte, seiner Fügung und Zulassung gewachsen zu sein". Dem Tod ging Delp, wie Augenzeugen berichteten, gelassen entgegen. Richter Freisler sollte den aufrechten Geistlichen nur um einen einzigen Tag überleben: Am 3. Februar 1945 starb er bei einem alliierten Luftangriff auf Berlin.

epd/evangelisch.de