Vom Abwicklungsminister zum Anschaffer: Dirk Niebel
Mit großem Getöse und viel Häme ist Dirk Niebel in sein neues Amt gestolpert. Am 5. Februar sind es 100 Tage, dass der Liberale Bundesentwicklungsminister wurde. Die Empörung über die Personalie Niebel hat sich mittlerweile gelegt. Längst ist der als Abwicklungsminister verschriene Heidelberger zum Anschaffungsminister geworden. Der ehemalige FDP-Generalsekretär hat gezeigt, dass er auch leise Töne anschlagen kann - und im Entwicklungsressort vieles bleibt, wie es ist.
01.02.2010
Von Ellen Großhans

Nach Amtsantritt hat Niebel seinen Mitarbeitern klar gemacht, dass er nicht daran denkt, sich an seine Forderungen aus der Zeit vor der Bundestagswahl zu halten. Ein Haus mit einem Etat von knapp sechs Milliarden Euro zu führen und einen der wichtigsten Entwicklungshilfegeber weltweit zu repräsentieren, macht schließlich viel mehr Spaß, als das eigene Ressort abzuwickeln.

Während der FDP-Generalsekretär Niebel vor der Wahl großes Einsparpotenzial im Entwicklungsministerium sah, kämpfte der Minister Niebel bei den Haushaltsverhandlungen um eine Steigerung seines Etats um 300 Millionen Euro. Trotz Wirtschaftskrise und Rekordverschuldung konnte der 46-Jährige am Ende 44 Millionen Euro mehr herausschlagen, als seine Amtsvorgängerin Heimarie Wieczorek-Zeul (SPD) veranschlagt hatte.

Kurswechsel? Viele Strategien sind schon vorhanden

Doch der Verwaltungswirt schafft nicht nur frisches Geld heran. Er hat auch unter Beweis gestellt, dass er den gewohnten Generalsekretärs-Lautsprecher ausschalten und einfach nur zuhören kann. Nach seinen lautstarken Ankündigungen, China die Entwicklungshilfe zu streichen oder den zivilen Entwicklungshelfern die Bundeswehrferne auszutreiben, zeigt er sich auf seiner ersten Auslandsreise erstaunlich lernbegierig. Er sei ein Minister, der zuhören könne und sich auch vom Gegenteil überzeugen lasse, hieß es auf Niebels Reisestationen in Ruanda, der Demokratischen Republik Kongo und Mosambik unisono.

Niebel gibt sich alle Mühe, für einen Kurswechsel in der deutschen Entwicklungspolitik zu stehen. Und oberflächlich betrachtet könnte der Wechsel von der friedensbewegten "roten Heidi" zu dem ehemaligen Zeitsoldaten Niebel, der mit Kommiss-Kappe und verspiegelter Sonnenbrille durch Afrika marschiert, nicht größer sein. Doch viele Strategien, die Niebel als "urliberale Instrumente" deklariert, teilte auch schon seine Amtsvorgängerin. Hilfe zur Selbsthilfe, Förderung von Mikrofinanzinstitutionen, Öffentlich-Private Partnerschaften zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft - alles schon da.

Auch Niebels Bekenntnis zur Stärkung der bilateralen zulasten der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit lässt sich nur begrenzt realisieren. "Der Handlungsspielraum in der Entwicklungszusammenarbeit ist gering. Deutschland ist in vielen Bereichen durch internationale Verpflichtungen gebunden, aus denen es nicht einfach ausscheren kann", sagt Ulrich Post, Vorsitzender des Verbands Entwicklungspolitik, der mehr als 100 private und kirchliche Organisationen vertritt.

"Entwicklungshilfe hat das Ziel, sich selbst überflüssig zu machen"

Zunächst muss sich Niebel an die Reform der staatlichen Entwicklungsorganisationen machen. Noch in diesem Jahr sollen die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, der Deutsche Entwicklungsdienst sowie die Weiterbildungsagentur Inwent und die Fachkräfte-Vermittlung CIM zusammengeführt werden. Eine komplexe und vor allem wenig öffentlichkeitswirksame Aufgabe, die dem Hauptmann der Reserve kaum Profilierungschancen bietet.

Doch als echter Liberaler vertraut der Arbeitsmarktexperte anstatt auf neue Programme sowieso zuallererst auf die freien Kräfte des Marktes. Durch das private Engagement von Unternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit sollen Steuergelder gespart werden. "Entwicklungshilfe hat das Ziel, sich selbst überflüssig zu machen", wiederholt Niebel gern. Aber bitte nicht den Entwicklungshilfeminister.

epd