Debatte um Steuersünder-Daten: Merkel befürwortet Kauf
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Kampf gegen Steuerhinterziehung den Fiskus zum Kauf der gestohlenen Bankdaten aus der Schweiz aufgefordert. Es müsse alles versucht werden, um an die von einem Informanten zum Preis von 2,5 Millionen Euro angebotenen Steuersünder-Daten heranzukommen.

"Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, auch in den Besitz dieser Daten kommen", sagte Merkel am Montag in Berlin. Bedenken - auch in ihrer eigenen Partei - wies sie zurück. Jeder vernünftige Mensch wisse, dass Steuerhinterziehung geahndet werden müsse, betonte die CDU-Chefin. Die Schweiz protestierte.

"Rechte Schweizer Bankkunden verletzt"

Der Schweizer Wirtschaftsminister Hans-Rudolf Merz erklärte in Bern, der Erwerb gestohlener Daten sei illegal. Damit würden auch die Rechte Schweizer Bankkunden verletzt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) rief als "ein Freund der Schweiz" das Nachbarland auf, bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung mit der EU zusammenzuarbeiten.

Der FDP-Chef sagte: "Steuerkriminalität ist ein Angriff (...) auf die fleißigen Menschen, die anständig Steuern zahlen und nicht mal eben den Weg ins Ausland machen können." Man könne aber auch nicht "Verfassung und Rechtsstaat einfach mal eben aussetzen und vergessen". Deshalb müsse es eine strenge Prüfung der Daten geben.

Der Informant bietet dem Fiskus Bankdaten von bis zu 1.500 Deutschen an. Sie sollen Millionensummen an der Steuer vorbei auf Schweizer Konten geschleust haben. Merkel hatte sich zuvor mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) über ihr Vorgehen abgestimmt. Die Schweizer Regierung hatte Berlin gewarnt, ein Erwerb der Daten könne das Verhältnis beider Länder erschüttern.

Finanzministerium: An Liechtenstein-Affäre orientieren

Das Finanzministerium erklärte, man wolle sich bei der Entscheidung auf der Linie der Liechtenstein-Steueraffäre bewegen. Anfang 2008 hatte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zusammen mit den zuständigen Ländern grünes Licht gegeben, für bis zu fünf Millionen Euro gestohlene Daten zu deutschen Steuersündern im Fürstentum Liechtenstein über den Geheimdienst BND zu kaufen. Auch der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel flog dabei als Steuerhinterzieher auf.

"Wir wollen auf der Basis des Liechtensteiner Falls hier zügig entscheiden", sagte Schäubles Sprecher Michael Offer. Man werde konstruktiv mit der Schweiz zusammenarbeiten. Das Nachbarland mit seinen Großbanken hatte sich erst kürzlich auf internationalen Druck bereiterklärt, in Steuerermittlungen mit dem Ausland stärker zu kooperieren. Daraufhin wurde die Schweiz von der Grauen Liste der Industriestaaten OECD gestrichen.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa prüfen derzeit die Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Experten der Bundesregierung die Rechtslage. Eine erste Stichprobe des Materials soll fünf Verdächtige als Steuersünder überführt haben, die jeweils etwa eine Million Euro Steuern nachzahlen müssten. Insgesamt könnte dem Staat ein Steuersegen von etwa 100 Millionen Euro winken.

"Diebstahl bleibt Diebstahl"

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte den Kauf der Datensammlung abgelehnt: "Ich persönlich habe ein Problem damit." Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte Nein: "Diebstahl bleibt Diebstahl. Mit Dieben sollte sich der Staat nicht gemein machen." Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar empfahl den Behörden ebenfalls, die Finger von der Sache zu lassen: "Es wäre völlig inakzeptabel, wenn sich Rechtsstaaten untereinander einen Wettlauf um illegale Daten liefern würden." Der erwartete Steuersegen sei kein Argument: "Es kann nicht Datenschutz nach Kassenlage betrieben werden."

SPD, Grüne und Linke erklärten dagegen, der Staat dürfe sich die Steuer-Millionen nicht durch die Lappen gehen lassen.

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke hält den Ankauf der Daten unter bestimmten Bedingungen für angemessen. Der Staat sei verpflichtet, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. "Wer die Gemeinschaft bewusst schädigt, der begeht aus christlicher Sicht eine Sünde", sagte Jaschke der "Bild"-Zeitung.

Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, ist dafür. Es könne nicht sein, dass Steuersünder auf Kosten der Gesellschaft lebten und dann häufig noch so täten, als ob sie moralisch im Recht seien. Und der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, widersprach der Auffassung, es handele sich bei den Daten um Hehlerware, mit der sich der Staat nicht abgeben dürfe: "Das Informationshonorar in Höhe von 2,5 Millionen Euro halte ich für angemessen in Anbetracht der zu erwartenden Steuernachzahlungen von 100 Millionen Euro." Es bedeute "keinen Unterschied, ob der Finanzminister für diese Hinweise Geld zahlt oder die Staatsanwaltschaft für Hinweise zur Ergreifung eines Straftäters Belohnungen auslobt".

dpa