Afghanistan: Käßmann bleibt skeptisch
Die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann bewertet die Afghanistan-Konferenz positiv. Problematisch sieht sie dagegen, dass mehr Soldaten in das Land geschickt werden.

Bischöfin Margot Käßmann bewertet die Ergebnisse der Londoner Afghanistan-Konferenz positiv, hält es nach eigenen Worten aber für problematisch, dass mehr Soldaten an den Hindukusch geschickt werden sollen. Ob der auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geforderte Strategiewechsel eingeleitet wird, sei noch offen, sagte die EKD-Ratsvorsitzende. Auch der katholische Militärbischof Walter Mixa äußerte sich grundsätzlich zufrieden mit den Vereinbarungen der internationalen Staatengemeinschaft.

Käßmann sagte der "Frankfurter Rundschau", zwei der zentralen Anliegen der EKD seien berücksichtigt worden: "Die deutsche Entwicklungshilfe wird verdoppelt. Das zeigt, dass der Vorrang des Zivilen wahrgenommen wird", sagte die Bischöfin, die den Bundeswehreinsatz in Afghanistan in mehreren Interviews und Predigten zum Jahreswechsel kritisiert hatte. Auch der Versuch, ein Aussteigerprogramm für Taliban-Kämpfer aufzulegen, zeige, "dass mehr Fantasie für den Frieden ins Spiel kommt".

Viel Resonanz hervorgerufen

Käßmann betonte, ihre zum Teil auch innerkirchlich kritisierte Position zum Afghanistan-Einsatz sei "völlig im Einklang mit den friedensethischen Positionen der EKD". Sie habe "noch nie mit einer Predigt so viel Resonanz hervorgerufen und eine - wie sich zeigt - notwendige Debatte ausgelöst", sagte die hannoversche Landesbischöfin. Mitunter müsse offensichtlich zugespitzt formuliert werden.

Unterstützung erhält Käßmann von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin hält Käßmanns Kritik für akzeptabel. "Wir sollten jeden respektieren, der diesen Einsatz ablehnt, wie auch die, die ihn für notwendig halten", sagte Merkel der "Welt am Sonntag" laut Vorabbericht. "Die Position von Bischöfin Käßmann ist die eines Teils meiner Kirche", sagte die Protestantin Merkel.

Der Rat der EKD habe vor zwei Jahren eine interessante Denkschrift veröffentlicht, die militärische Gewalt zwar nicht ablehnt, "sie aber an sehr hohe Hürden knüpft". "Diese Position erlegt uns eine besondere Begründungspflicht auf", sagte die Kanzlerin. Und damit müsse die Demokratie leben können. Im Übrigen habe der CDU-Bundesvorstand unlängst "eine gute Diskussion" mit Käßmann geführt. "Ich weiß, dass sie jenseits aller Meinungsunterschiede sich über jede Mädchenschule in Afghanistan freut", sagte Merkel.

Die internationale Staatengemeinschaft hatte sich in dieser Woche in London darauf verständigt, die Verantwortung für die Sicherheit im Land in den nächsten Jahren schrittweise an die afghanische Regierung zu übergeben. Kurzfristig sollen die internationalen Truppen aufgestockt werden, ein Abzugsdatum wurde nicht vereinbart. Die Bundesregierung will bis zu 850 deutsche Soldaten zusätzlich nach Afghanistan entsenden und die Entwicklungshilfe auf 430 Millionen Euro pro Jahr nahezu verdoppeln. Derzeit umfasst das deutsche Kontingent 4.500 Soldaten.

Der katholische Militärbischof Walter Mixa sagte der in Ludwigshafen erscheinenden "Rheinpfalz am Sonntag" laut Vorabbericht: "Diplomatische Initiativen sind überfällig, weil nach kirchlicher Überzeugung militärische Mittel nie allein geeignet sind, Konflikte zu lösen." Krieg sei aus der Sicht der Kirche immer ein Übel und eine Niederlage der Menschheit.

Mixa erkennt Rückzugsperspektive

Nach seiner Einschätzung seien die Weichen für eine schrittweise Rückgabe der sicherheitspolitischen Verantwortung an die afghanische Regierung gestellt worden. "Damit ist auch eine Rückzugsperspektive für unsere Truppe eröffnet worden", sagte der Augsburger Bischof. Wann die Bundeswehr konkret ihren Einsatz am Hindukusch beenden könne, sei "eine politische, militärische und strategische Entscheidung, bei der auch die Sicherheit unserer Soldaten zu beachten ist".

Zugleich erinnerte der Bischof daran, dass es das Ziel der internationalen Präsenz in Afghanistan gewesen sei, "den Frieden militärisch zu sichern, und nicht gegen irgendjemanden Krieg zu führen". Diplomatischen und politischen Mitteln sei grundsätzlich Vorrang einzuräumen. Mit Blick auf den Parteienstreit über die Afghanistan-Strategie betonte Mixa, dass die Soldaten nie den Eindruck gewinnen dürften, dass sie von der deutschen Öffentlichkeit im Stich gelassen werden. Sie erfüllten ein Mandat des demokratisch gewählten Parlaments im Rahmen einer UN-Mission.

Bundestagspräsident Lammert sagte der "Berliner Zeitung" zur Kritik an Käßmann, es wäre seltsam, wenn sich eine Bischöfin zu einem militärischen Engagement Deutschlands ähnlich äußern würde wie eine Kanzlerin oder ein Verteidigungsminister. Er sehe die Rolle der Kirche nicht darin, sich auf das Spirituelle zu beschränken. "Die Kirchen sollen ihre Botschaft einbringen in die Geschäftigkeit der Gesellschaft. Das muss knirschen - nicht ständig, aber es muss knirschen", sagte der CDU-Politiker.

epd