Hochschwanger machte Alina Ungemach ihren Realschulabschluss. Und nur wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter begann die damals 17-Jährige eine Teilzeitausbildung zur Fachangestellten für Bürokommunikation. Inzwischen hat die mittlerweile 20-Jährige ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und ist von der Stadt Karlsruhe übernommen worden. Teilzeitausbildung, seit 2005 nach einer Gesetzesänderung möglich, liegt im Trend. Vor allem junge Mütter profitieren davon, denn ohne Ausbildung haben sie oft kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Alina Ungemach ist alleinerziehend. Die Teilzeitausbildung ermöglichte es ihr, sich trotz Lehre auch um ihre Tochter zu kümmern. Dass sie im Vergleich mit Gleichaltrigen viel weniger Freizeit hat, macht ihr nichts aus. "Ich vermisse nichts", erklärt sie bestimmt: "Ich habe meine eigene kleine Familie und eine abgeschlossene Lehre, das ist viel wert."
Ungemach war die erste Absolventin der Teilzeitausbildung, die vom Christlichen Jugenddorfwerk Karlsruhe (CJD) und der Stadt Karlsruhe koordiniert wird. Eine solche verkürzte Teilzeitausbildung für junge Mütter oder Väter ist erst seit 2005 durch eine Änderung des Berufsbildungsgesetzes möglich.
Bedarf ist groß
Das Gesetz richtet sich generell an Menschen mit pflegebedürftigen Personen im Haushalt, gemeint sind damit aber auch junge Mütter oder Väter, die wegen ihrer Verantwortung für das Kind eine Lehre nur in Teilzeit absolvieren können. In der Praxis der dualen Ausbildung wird die Arbeitszeit im Betrieb auf vier bis sechs Stunden täglich reduziert. Die Berufsschule besuchen die Absolventen indes in Vollzeit. Werden die Arbeitszeiten nur um maximal 25 Prozent reduziert, muss die Ausbildungsdauer nicht verlängert werden.
Bundesweit gibt es Hunderte Initiativen, die Teilzeitausbildung unterstützen. Der Bedarf ist groß: Nach Angaben des Bremer Sozialsenats bekommen jährlich rund 23.000 Mütter unter 20 Jahren Kinder. Viele von ihnen haben weder Schul- noch Berufsabschluss. "Ausbildung ist für junge Mütter doppelt wichtig", betont Marianne Friese. Andernfalls blieben sie auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld angewiesen, sagte die Gießener Professorin für Erziehungswissenschaft. Nach einer Lehre könnten die Frauen ihre Existenz selbst sichern: "Das ist auch ein wichtiges Vorbild für ihre Kinder".
Friese und ihr Team entwickelten deshalb im wissenschaftlichen Projekt "MOSAIK - Kompetenzentwicklung für (junge) Mütter" in Bremen einen Betreuungsansatz, der zugleich auch die Förderung und Erziehung des Kindes umfasst. Auf dieser Basis entstand später das Netzwerk der "Bremer Förderkette": Schulen, Betriebe, Agentur für Arbeit, Industrie- und Handelskammer sowie Bildungsträger arbeiten eng zusammen, um den jungen Müttern vielfältige Hilfen anbieten zu können.
Sehr gute Kinderbetreuung wichtig
Auch das "Netzwerk Teilzeitausbildung" mit Sitz in Recklinghausen wirbt seit Jahren für mehr Teilzeitausbildung. "Der Bedarf ist groß, doch noch immer fehlen passende Angebote in vielen Lehrberufen", sagte Kerstin Degener-Kirsch dem epd. "Grundpfeiler jeder Teilzeitausbildung für junge Mütter ist eine sehr gute Kinderbetreuung", betonte die Expertin. Solche Betreuungsangebote fehlten oft im ländlichen Raum. Auch wüssten viele Arbeitgeber noch nichts von den Möglichkeiten der Teilzeitausbildung. Darüber aufzuklären sei Hauptaufgabe des Netzwerkes mit seinen bundesweit rund 120 Vereinen, Verbänden, Behörden und Organisationen.
Karlsruhe ist nach Angaben des CJD bundesweit Vorreiter bei den Kommunen, die sich für die Teilzeitausbildung öffnen. Künftig sollen alle dualen Ausbildungsberufe in der Verwaltung in Teilzeit erlernbar sein. Im vergangenen Jahr betreute das CJD in Karlsruhe 39 junge Mütter während der Ausbildung, acht Frauen haben ihre Ausbildung bereits erfolgreich abgeschlossen. Junge Väter hätten sich bislang nicht gemeldet, bedauerte Bernhard Baldas, Koordinator der Teilzeitausbildung des CJD.
Weitere Informationen: http://www.teilzeit-ausbildung.de/