Opposition kritisiert Gesundheitswesen als unsozial
Die gesundheitspolitischen Reformpläne von Schwarz-Gelb sorgen weiter für heftigen Parteienstreit. Opposition und Regierung gegen sich gegenseitig die Schuld an der derzeitigen Misere.

Gegenseitige Schuldzuweisungen und Vorwürfe haben die Bundestagsdebatte über die Zusatzbeiträge der Krankenkassen dominiert. Während die Regierungsparteien in einer Aktuellen Stunde am Freitag in Berlin die zusätzlichen Beiträge und den geplanten Einstieg in ein Kopfpauschalen-System verteidigten, kritisierte die Opposition die Zusatzprämien und die geplante Gesundheitsreform als unsozial.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) räumte in der "Bild"-Zeitung ein, dass die Zusatzbeiträge von den Bürgern als ungerecht empfunden würden. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigte unterdessen seinen Widerstand gegen die Kopfpauschale an.

Am Montag hatten acht gesetzliche Krankenversicherungen Zusatzbeiträge von zumeist acht Euro monatlich angekündigt, die die Versicherten zusätzlich zu ihrem Beitrag in diesem Jahr zahlen müssen. Bei der Bundesregierung hatten die Ankündigungen für Verärgerung gesorgt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, man werde sich genau anschauen, was die Kassen da machten. Die Regierung erwägt, das Kartellrecht auf die Kassen auszuweiten. Beim Bundeskartellamt liegen bereits Beschwerden von Verbrauchern vor, denen das Amt nachgehen will.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), erinnerte daran, dass es vor Einführung des Gesundheitsfonds viel größere Beitragssatz-Unterschiede gegeben habe. Niemand solle jetzt so tun, als seien die Zusatzbeiträge "der Untergang des Abendlandes". 50 Kassen hätten bereits angekündigt, in diesem Jahr keine zusätzlichen Beiträge zu verlangen. "Wir haben Transparenz ins System gebracht", sagte Spahn. Jeder Bürger könne die Kasse wechseln.

Die Grünen warfen der Regierung hingegen vor, die "Entsolidarisierung der gesetzlichen Krankenversicherung" zu betreiben. Zudem müssten allein die Arbeitnehmer die Verteuerungen im Gesundheitswesen tragen, kritisierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn.

Auch die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Kathrin Vogler (Linke), kritisierte den Gesundheitsfonds. Er sei unterfinanziert, so "dass die Kassen in Nöte kommen mussten". Das System sei für die FDP eine Steilvorlage, um ein Kopfpauschalen-System einzuführen.

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrike Flach betonte, dass die schwarz-gelbe Koalition das "marode Gesundheitssystem" bei Regierungsantritt vorgefunden habe. Die jetzigen Zusatzbeiträge beträfen jeden Bürger gleichermaßen und seien damit unsozial. Ein einkommensunabhängiger Beitragssatz, der über Steuern sozial ausgeglichen werde, sei hingegen gerechter.

Der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, stellte infrage, warum eine kleine Kopfpauschale sozial ungerecht, eine große Kopfpauschale aber gerecht sein solle. Der soziale Ausgleich über Steuern sei bislang nicht beziffert und zudem nicht bezahlbar.

Seehofer gegen Einheitsbeitrag

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nannte in der "Saarbrücker Zeitung" Bedingungen für die Einführung der Kopfpauschale. Es sei zwar richtig, die Gesundheitskosten stärker von den Arbeitskosten zu trennen. Dies sei allerdings "mit der CDU nur zu machen, wenn ein funktionierender Sozialausgleich mit Steuermitteln sicherstellt, dass niemand zum Bittsteller wird", unterstrich er.

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer kündigte in München seinen Widerstand gegen einen einheitlichen Krankenversicherungsbeitrag an. "Wer mehr verdient, soll auch mehr zahlen." Der frühere Bundesgesundheitsminister sagte, er verstehe den Sinn nicht, "nach dem Geringverdiener mehr und Besserverdiener weniger belastet werden sollen". Er wolle die Kopfpauschale verhindern.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor der Einführung der Kopfpauschale. Der Verband kritisiert die von Gesundheitsminister Rösler favorisierte Reform als unrealistisch und nicht finanzierbar. Am Ende werde eine solche Prämie von Haushalten mit geringem Einkommen selbst zu finanzieren sein.

epd