Die Opposition warnt vor Verschlechterungen bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen. Angesichts der Vorschläge von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Reform der Jobcenter sei ein "Organisationschaos vorprogrammiert", erklärte die SPD-Bundestagsfraktion am Dienstag in Berlin. Die Grünen sprachen von "massiven Verschlechterungen bei der Betreuung von Arbeitssuchenden".
Die bewährte Zusammenarbeit von Kommunen und Arbeitsagenturen in den Jobcentern werde zerschlagen, erklärte die Arbeitsmarktexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Brigitte Pothmer. "Mehr Streit, mehr Bürokratie und mehr Kosten" seien die Folge.
Linke gegen Verschärfung bei Sanktionen
Die Linksfraktion wandte sich insbesondere gegen eine Verschärfung von Sanktionen. Angesichts des Jobmangels sei das reine Schikane, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und designierte Parteivorsitzende Klaus Ernst.
Nach dem Gesetzentwurf zur Umorganisation der Jobcenter entfällt künftig der Bescheid, mit dem die Arbeitsagentur die Kürzung des Arbeitslosengeldes II festsetzt. Experten sehen dadurch die Rechtsmittel der Betroffenen eingeschränkt. Das Arbeitslosengeld II kann gekürzt werden, wenn der Arbeitslose seinen Pflichten nicht nachkommt, etwa sich zu bewerben. Außerdem soll künftig auch bestraft werden können, wer eine Maßnahme der Arbeitsagentur nicht antritt. Bisher greifen die Sanktionen erst, wenn ein Arbeitsloser eine Maßnahme abbricht.
Von der Leyen hatte am Montagabend ihre Pläne zur Reform der Jobcenter vorgestellt. Ab 2011 müssen die Jobcenter anders funktionieren als heute, wenn es sie weiter geben soll. Das Bundesverfassungsgericht verlangt, die Aufgaben, die Arbeitsagenturen und Kommunen heute in einer gemischten Verwaltung gemeinsam erledigen, wieder zu trennen. Der Bürger muss erkennen können, wer für was zuständig ist, haben die Verfassungsrichter gesagt. Das sei ein Grundprinzip des Rechtsstaates.
Ab 2011 kommen zwei Bescheide
Die CDU-Ministerin muss das Urteil aus dem Jahr 2007 jetzt umsetzen, weil die große Koalition dies versäumt hat. Sie will eine "pragmatische Lösung", bei der sich für die rund 6,7 Millionen Arbeitslosen und ihre Angehörigen so wenig wie möglich ändert. Sie sollen weiter zu nur einem Tresen gehen und einen Antrag stellen, obwohl sie ab 2011 zwei Bescheide bekommen werden: einen von der Arbeitsagentur über ihr Arbeitslosengeld II und einen von der Kommune über ihre Warmmiete.
"Hinter dem Tresen", sagt von der Leyen, werde dann die vom Verfassungsgericht verlangte Entflechtung stattfinden: Die Arbeitsagentur rechnet das Arbeitslosengeld II aus und kümmert sich um Arbeitsvermittlung, Beschäftigungsmaßnahme oder Weiterbildung; die Kommune rechnet die Warmmiete aus und kümmert sich um Schuldnerberatung oder Krippenplatz.
In den Jobcentern sind die Kommunen für die Miet- und Heizkosten sowie die soziale Unterstützung der Jobsuchenden, die Arbeitsagenturen für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II verantwortlich.
Diese Betreuung vollzieht sich heute und auch künftig in unterschiedlichen Trägermodellen. Die meisten Kommunen bilden gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) Arbeitsgemeinschaften ("Argen"). Davon gibt es 346. Geht es nach von der Leyens Plänen, sollen sie unter einem Dach bleiben und auf der Basis von Verträgen eng zusammenarbeiten, aber keine gemeinsame Verwaltung mehr bilden.
Umbau ist juristisch heikel
69 Kommunen nutzten 2005 die Möglichkeit, die alleinige Zuständigkeit für die Grundsicherung zu übernehmen (Optionskommunen). Diese Möglichkeit war bis Ende 2010 befristet und soll nun per Gesetz ab 2011 zur Daueralternative zum "Unter-einem-Dach"-Modell gemacht werden. Die kommunale Arbeitsverwaltung war stets von der Union befürwortet worden. Sie will sie ausweiten, doch das will von der Leyen wegen rechtlicher Probleme nicht mit der Entfristung verbinden.
Außerdem gibt es rund 20 Kommunen, die die gemeinsame Trägerschaft mit der BA verweigert oder zwischenzeitlich wieder aufgekündigt haben. In der Folge kümmern sich beide Behörden getrennt um die Betreuung der Langzeitarbeitslosen. An diesem Modell ändert sich nichts.
Kritik an den Plänen der Ministerin übte auch das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Der angestrebte Umbau der Jobcenter sei juristisch heikel: "Ohne eine Änderung des Grundgesetzes muss man auch bei dieser Lösung weiterhin mit Unsicherheiten leben", sagte IAQ-Forschungsdirektor Matthias Knuth dem epd. Rechtlich schwierig könne die Vernetzung der Datensysteme von Bundesagentur und Kommunen sein. Gleiches gelte auch für die gemeinsame Nutzung von Immobilien, wenn die Betreuung der Kunden weiter unter einem Dach angeboten werden solle.