Doping am Arbeitsplatz - bald ein Massenphänomen?
Doping – das ist längst nicht mehr nur ein Problem des Spitzensports. In Deutschland haben angeblich schon zwei Millionen Menschen zu chemischen Helfern am Arbeitsplatz gegriffen. Die Einnahme von Arzneimitteln, so der Eindruck, wird zu wenig hinterfragt.
26.01.2010
Von Daniel Drepper

Die Werbung macht es uns vor: Einfach eine Tablette einnehmen und schon sind wahlweise Kopfschmerzen, Vollegefühl oder Sodbrennen quasi wie von selbst verschwunden. Warum die Ursache bekämpfen, wenn man die Folgen doch mit einer einzigen Tablette ganz einfach in den Griff bekommt? Was bei einer nicht-verschreibungspflichtigen Tablette noch vergleichsweise harmlos ist, setzt sich über aufputschende und konzentrationsfördernde Mittel fort. Das Nachhelfen mit medizinisch nicht notwendigen Arzneimitteln ist in Deutschland mittlerweile offenbar Alltag. "Die Einnahme von Medikamenten", sagt der Lübecker Physiologe Horst Pagel, "ist ein gesellschaftlich akzeptiertes Bewältigungsverhalten."

Dabei ist der Übergang vom bedenkenlosen Einsatz von Arzneimitteln hin zum Doping fließend. Aspirin zum Beispiel wird auch im Jugend-Radsport als Einstiegsmittel genutzt. Beim Doping im Sport nehmen gesunde Athleten Mittel ein, um mehr trainieren zu können und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Wenn ein Angestellter beispielsweise eine Aspirin einwirft, um ohne Schmerzen den Tag durchstehen zu können, dann ist der Griff zu härteren Arzneien, um die eigene Leistung insgesamt zu steigern, irgendwann nicht mehr weit. Dass aus dem Missbrauch ernsthafte Suchtkrankheiten und dauerhafte seelische Veränderungen entstehen können, wird leicht ausgeblendet. Die Werbe-Jingles scheinen zu fruchten.

Keine Bestimmungen im Arbeitsleben

Doping ist im Sport verboten, weil der Sport nur als saubere Welt mit Vorbildfunktion seinen Sonderstatus rechtfertigen und seine Faszination aufrecht erhalten kann. Im Arbeitsleben gibt es keine Bestimmungen zum Betrug am Konkurrenten. Doch wo ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Radprofi, der mit blutbildenden Hormonen die Berge erklettert und einem Beschäftigten, der dank konzentrationsfördernder Mittel länger und effektiver arbeiten kann?

Der jüngste Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK geht für Deutschland von bis zu zwei Millionen Dopern am Arbeitsplatz aus. Fünf Prozent der 3.000 Befragten Arbeitnehmer zwischen 20 und 50 Jahren gaben an, sich selbst zu dopen. Sogar 20 Prozent sagten aus, dass ihnen "ohne Therapienotwendigkeit derartige Medikamente empfohlen wurden". Neben Mitteln gegen Angst oder Nervosität wurden von 13 Prozent der Doper auch Präparate wie Ritalin genannt, das eigentlich für Kinder mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS entwickelt wurde. Erwachsenen soll es helfen, effektiver zu arbeiten. Beliebt ist offenbar auch das aufputschende Mittel Modafinil, das normalerweise gegen die seltene Schlafkrankheit Narkolepsie eingesetzt wird.

Wie gut passen niedergelassene Ärzte auf?

Die Befragten fanden das Doping am Arbeitsplatz vor allem bei hohem Stress, einem unsicheren Arbeitsplatz oder einer Konkurrenzsituation vertretbar. Und sie wollen, sollte es zum Doping kommen, vor allem ihre Aufmerksamkeit und Konzentration verbessern. Zwar sei Doping am Arbeitsplatz noch kein weit verbreitetes Phänomen, so die Studie. Andererseits scheinen aber viele niedergelassene Ärzte die Verschreibung von hoch wirksamen Arzneimitteln nicht so genau zu nehmen. So habe zum Beispiel nur jeder 33. Patient, der das Anti-Depressivum Piracetam verschrieben bekam, eine medizinisch nachvollziehbare Verordnung besessen.

Weitere Studien der Fachzeitschrift "nature" und verschiedener Forschergruppen in Frankreich legen ähnlich weit verbreitetes Doping sowohl bei Professoren als auch bei Arbeitern nahe. Während die weltweit befragten Professoren vor allem auf die konzentrationsfördernden Mittel Ritalin und Modafinil zurückgriffen, zeigten die älteren Studien bei französischen Arbeitern auch Hinweise auf entspannende Drogen und Arzneimittel.