Port-au-Prince: Eine Beerdigung für 112.000 Tote
Großereignis der Trauer: Gewissermaßen stellvertretend für die inzwischen mehr als 112.000 Toten ist der Erzbischof von Haiti beerdigt worden. Der höchste Voodoo-Priester klagte indes über den Umgang mit den vielen anderen Leichen.

Die Beerdigung des Erzbischofs von Haiti, Joseph Serge Miot, in der Hauptstadt Port-au-Prince war zugleich eine Trauerfeier für die inzwischen mehr als 112.000 registrierten Toten der Erdbeben-Katastrophe. Die wenigsten von ihnen konnten von ihren Angehörigen würdevoll beerdigt werden, sondern wurden in Massengräbern verscharrt. Wie viele Opfer noch unter Trümmern begraben liegen, weiß niemand mit Sicherheit. "Die Beerdigung von Miot ist ein Symbol für alle, die gestorben sind", sagt ein Gemeindemitglied der bei dem Beben am 12. Januar zerstörten Kathedrale.

Unterdessen wurde auch Kritik am Umgang mit den Todesopfern laut: Die höchste Autorität des in Haiti weit verbreiteten und seit 2003 offiziell anerkannten Voodoo-Glaubens, Max Beauvoir, kritisierte die Behörden für ihren respektlosen Umgang mit den Todesopfern des Erdbebens. Man habe die Leichen "wie Müll behandelt", ohne "Würde und Respekt", klagte der 74-jährige Priester gegenüber der spanischen Tageszeitung "El País".

"Diese Feier ist für alle"

Die Trauerfeier für den Erzbischof wurde unter einem Zeltdach neben der Kirchenruine zelebriert. Gekommen waren nicht nur tausende Gläubige, sondern auch Haitis publikumsscheuer Präsident René Preval und der Erzbischof von New York, Timothy Dolan. "Diese Feier ist für alle", sagt die aus Kolumbien stammende Nonne Lina. "Diese Trauerfeier ist für alle, die ihre Angehörigen nicht beerdigen konnten, und für die Menschen, die für immer verschollen bleiben werden."

Die Zeremonie mit ihren Gesängen und Klagen unter der Sonne der Karibik bündelte das Unglück einer ganzen Nation in einem Augenblick, an einem Ort. "Ich bitte Gott, dass er allen Angehörigen von Verschütteten Trost bringen möge, allen, die ihre Toten oft nicht würdevoll bestatten konnten", betete der Präsident der Bischofskonferenz in Haiti, Louis Kébreau.

"Berufen, sich für die Armen einzusetzen"

Die Teilnehmer des Trauergottesdienstes bekreuzigen sich, während sie in ihren Köpfen noch von den schrecklichen Bildern verwesender Toter in den Straßen der Hauptstadt heimgesucht werden. "In gewisser Weise ist es so, als ob der Erzbischof alle diese Toten zu Gott führen würde", sagte Simón Cabrera von der religiösen Kongregation des Nachbarlandes Dominikanische Republik, die sich Haitis angenommen hat. Niemand will Erzbischof Miot vergessen. Nach Worten des Arztes Hans Thomas war Miot "der Einzige in Haiti, der sich wirklich dazu berufen fühlte, sich für die Armen einzusetzen".

dpa/epd