Eineinhalb Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti mit möglicherweise bis zu 200.000 Toten kann dank der gigantischen internationalen Hilfsaktion und der unermüdlichen Arbeit tausender Helfer vor Ort das Leiden der bis zu drei Millionen Überlebenden etwas gelindert werden. Erstmals öffneten am Freitag auch wieder Banken ihre Schalter.
UNICEF warnt dringend vor Adoptionen
Unterdessen empfing die französische Präsidentengattin Carla Bruni-Sarkozy 33 Kinder aus Haiti, die von französischen Eltern adoptiert worden waren. Das UN-Kinderhilfswerks UNICEF warnte jedoch dringend vor den zwar gut gemeinten, aber für die Kinder äußerst zweifelhaften Auslandsadoptionen. "Selbst legale Adoptionen sind in aller Regel keine Hilfe", betonte UNICEF in New York. "Alle Hilfsorganisationen sind sich einig, dass man die Kinder in ihrer Umgebung lassen soll. Helft ihnen, aber tut es da, wo sie sind", sagte ein Mitarbeiter im UN-Hauptquartier. "Es ist verständlich und ja auch gut, dass viele den Menschen helfen wollen und gerade den Kindern. Doch wenn man sie aus ihrem Umfeld reißt, wie hart dieses auch sein mag, hilft man ihnen nicht."
UNICEF lägen Meldungen vor, dass in den vergangenen Tagen mehrere Flüge mit Kindern das Erdbebengebiet verlassen haben. Ziele seien Europa und die USA gewesen. Auch seien 15 Kinder aus Krankenhäusern "verschwunden". Bei Familienmitgliedern seien sie nicht, sagte Sprecher Jean Luc Legrand in Genf. Er hatte vor einer Lockerung der Adoptionsregeln gewarnt; Menschenhändler würden die Lage nach Naturkatastrophen oft für ihre Zwecke ausnutzen. UNICEF bereite sich auf die Versorgung von 500.000 Kindern in Haiti vor.
Französische Adoptionen schon vor Beben genehmigt
Die Adoptionen der von Bruni-Sarkozy empfangenen Kinder waren bereits vor dem Erdbeben genehmigt worden. Die Familien warteten nur noch auf ein Visum für die Kinder. Paris hatte Anfang der Woche angekündigt, die Adoptionsverfahren beschleunigen zu wollen. Französische Elternvereine hatten seit Tagen darauf gedrängt, die Kinder aus der Not nach dem Erdbeben zu retten.
Mit dem Schicksal von Kindern befassten sich auch die 27 EU-Staaten. Sie wollen bei Adoptionen von Waisenkindern aus dem Erdbebengebiet in Haiti gemeinsam vorgehen. "Wir denken über eine europäische Lösung nach", sagte der zuständige EU-Kommissar Jacques Barrot im spanischen Toledo.
Geldtransfers wieder möglich, erste Banken öffnen
Erstmals seit dem verheerenden Erdbeben in Haiti öffneten am Freitag wieder Geldtransfer-Firmen im Großraum Port-au-Prince ihre Filialen. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen standen Tausende von Menschen Schlange vor den Filialen. Die Öffnungszeiten waren stark beschränkt und wesentlich kürzer als noch vor dem verheerenden Beben vom 12. Januar. Die Geldtransfer-Firmen sind für viele Haitianer sehr wichtig, weil sie dort die Überweisungen ihrer Verwandten aus dem Ausland bekommen. Bei Abhebungen gab es zunächst eine Grenze bei 600 Dollar (etwa 425 Euro), wie Kunden dpa-Reportern berichteten.
Auch mehrere Banken wollten am Samstag wieder öffnen und den Menschen Zugang zu ihren Konten ermöglichen, wie Bankangestellte berichteten. In den vergangenen Tagen hatten Kräfte der Vereinten Nationen Bargeldbestände aus zerstörten Bankgebäuden geholt und in andere Bankfilialen gebracht, um Plünderungen zu vermeiden und die Wiederaufnahme des Bankenbetriebs zu ermöglichen.
Zwei Opfer überlebten zehn Tage unter Trümmern
Obwohl die Suche nach Überlebenden unter den Trümmern eigentlich schon am Donnerstag weitgehend beendet worden war, wurden am Folgetag zwei weitere Überlebende gefunden. Wie lokale Radiosender berichteten, wurden eine 84-jährige Frau und ein 22 Jahre alter Mann in der Hauptstadt Port-au-Prince aus den Trümmern eingestürzter Häuser geborgen. Den jungen Mann habe ein israelisches Rettungsteam entdeckt, hieß es. Beide Geretteten seien stark ausgetrocknet und in kritischen Zustand. Nach Angaben von Medizinern war es deshalb fraglich, ob sie überleben werden.