Stimmungsmache gegen Hartz-IV-Empfänger? Kritik an "Bild"
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über Hartz-IV-Empfänger scharf angegriffen und den Deutschen Presserat angerufen. Der Verband warf am Freitag in Berlin der Zeitung vor, Zahlen mit der Absicht manipuliert zu haben, Stimmung gegen Hartz-IV-Bezieher zu machen.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Debatte über angeblich faule Langzeitarbeitslose. Unterdessen gab das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bekannt, am 9. Februar über die Rechtmäßigkeit der Hartz-IV-Regelsätze zu entscheiden.

Unter der Schlagzeile "Macht Hartz IV faul?" berichtete "Bild" (Freitagsausgabe), dass viele Teilzeitbeschäftigte und Geringverdiener netto weniger Einkommen hätten als Hartz-IV-Empfänger. In der Zeitung wird die Frage aufgeworfen, ob die Langzeitarbeitslosen "wirklich alle nicht arbeiten können".

"Verantwortungslose Stimmungsmache"

Bei den Vergleichsrechnungen habe die Zeitung wichtige Einkommensquellen von Geringverdienern unterschlagen, wie etwa Wohngeld und Kinderzuschlag, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider. Diese Leistungen könnten sich auf mehr als 700 Euro summieren. In Wirklichkeit sei der Lohnabstand bei allen Haushalten, die in dem Blatt als Beispiel aufgeführt werden, gewahrt. "Was hier passiert, ist verantwortungslose Stimmungsmache mit falschen Fakten", sagte Schneider. Er forderte die Zeitung zu einer Richtigstellung auf. Ein "Bild"-Sprecher wies die Kritik zurück. Der Vorwurf des Paritätischen sei "grob irreführend".

Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand bezeichnete die erneut aufgeflammte Debatte über Hartz IV als bequeme Hängematte als "bodenlose Frechheit". Hartz IV sei offenbar so wenig bequem, dass die Betroffenen verzweifelt versuchten, von diesem Abstellgleis wegzukommen. Das Hartz-IV-System zementiere Armut. Die Regelsätze seien zu niedrig. Zudem arbeiteten viele in Jobs, von denen sie nicht leben könnten, so dass sie weiterhin auf Hartz IV angewiesen seien.

Rechtmäßigkeit von Hartz-IV-Regelsätzen wird geprüft

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst, sagte, die Unterstellung, Hartz IV animiere zur Faulheit, verdrehe die Tatsachen ins Absurde. "Nicht Hartz IV ist zu hoch, die Löhne sind zu niedrig", so Ernst. Daher sei die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns notwendig.

Das Bundesverfassungsgericht wird am 9. Februar über die Rechtmäßigkeit der Hartz-IV-Regelsätze entscheiden. Die Entscheidung hat Auswirkungen auf rund sieben Millionen Hartz-IV-Empfänger, davon rund 1,8 Millionen Kinder unter 14 Jahren. Hintergrund sind insgesamt drei Klagen von Familien, die Hartz-IV-Leistungen beziehen. Die Kläger hatten angeführt, dass die Regelsätze für Kinder unter 14 Jahren in Höhe von 215 Euro willkürlich festgelegt seien und das Existenzminimum nicht abdeckten. Außerdem werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, da Kinder von Sozialhilfeempfängern einen zusätzlichen Bedarf geltend machen können, Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern jedoch nicht.

Kritik an den Hartz-IV-Sätzen für Kinder hatte die Bundesregierung tätig werden lassen. Zum 1. Juli 2009 wurde der Regelsatz für Kinder von sechs bis einschließlich 13 Jahren von 60 auf 70 Prozent des Regelsatzes eines alleinstehenden Erwachsenen erhöht. Dieser beträgt derzeit 359 Euro monatlich.

epd