Raus rutscht nur, was drin ist: Drei Fragen an Ernst Elitz (6)
Pointierte Anmerkungen zu Politik und Zeitgeschehen: Als erfahrener Journalist ist Ernst Elitz gewohnt, den Mächtigen kritisch auf die Finger zu schauen, verschleiernde Worthülsen zu knacken und das Zeitgeschehen bisweilen bissig zu kommentieren. So wie das Unwort des Jahres. Neben "betriebsratsverseucht" hat Ernst Elitz noch persönliche Lieblings-Unwörter, die aus seiner Sicht beschönigen, was im Klartext eigentlich verletztend ist.
22.01.2010
Die Fragen stellte Ulrich Pontes

evangelisch.de: Die Steuersenkung für Hotelübernachtungen lässt das Land nicht los. Erst gab es massive sachliche Kritik, jetzt hat die Opposition der FDP wegen einer damit in Zusammenhang gebrachten Parteispende gar vorgeworfen, käuflich zu sein. Andererseits hat die FDP die Spende wie vorgeschrieben veröffentlicht. Sind die Vorwürfe der Opposition also "absurd", wie FDP-Chef Westerwelle behauptet? Oder gibt es einen Unterschied zwischen legal und legitim?

Ernst Elitz: Der Bundestagspräsident, dem die Spende gemeldet wurde, hat keinerlei Einspruch erhoben. Die Spende ist lange vor der Entscheidung über den Steuernachlass für Hotelbetten-Besitzer erfolgt und frühzeitig veröffentlicht worden. Wäre die Opposition weniger schlafmützig, hätte sie schon während der Debatte über das Wachstumsförderungsgesetz ihren Verdacht auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Spende und Wohltat publikumswirksam geäußert. Ich wette, die FDP wäre eingeknickt und hätte auf diese Passus verzichtet. Insoweit ist es legitim, die Frage zu stellen, ob SPD und Grüne ihre Oppositionsaufgaben ernsthaft und im Interesse der Bürger wahrgenommen haben. Denn jetzt ist ihr Protest nur noch politisches Spektakel, das Gesetz ist verabschiedet und das Geld der Steuerzahler verbraten. Absurd ist es anzunehmen, dass ein Parteispender sein Sümmchen aus reinem politischen Gutmenschentum überweist. Er will sich angenehm in Erinnerung bringen, sei er nun Hotelier, KKW-Betreiber, Sonnenkollektoren-Hersteller, Auto-Produzent oder Biomasse-Förderer. Und er wird sein Geld bei denen abliefern, die er für Brüder im Geiste hält. Sonst könnte der Bundestagspräsident alle Parteispenden einsammeln und gerecht auf alle Parteien verteilen. Dann wäre jeder über jeden Verdacht erhaben. Aber diese hochmoralische Lösung hätte den Nachteil - es würde keiner mehr spenden.

evangelisch.de: Nach dem Erdbeben auf Haiti überschlagen sich die Deutschen anscheinend vor Spendenbereitschaft - Hilfsorganisationen frohlocken, ZDF und "Bild" brüsten sich mit einer der erfolgreichsten Spendengalas aller Zeiten in Deutschland. Das ist erfreulich für die, die jetzt dringend Hilfe brauchen - trotzdem hinterlässt so ein medial befeuerter Hype, der ja auch schnell wieder vorbei sein dürfte, bei manchem einen schalen Nachgeschmack. Zurecht? Zumal vor dem Hintergrund anderer Katastrophen ähnlichen Ausmaßes, etwa in Pakistan 2005, wo die internationale Solidarität durchaus zu wünschen übrig ließ?

Ernst Elitz: Ich verspüre keinen schalen Geschmack. Im Gegenteil. Die Medien haben mit erschütternden Bilder und Berichten von der Katastrophe den Deutschen Leid und Not der Menschen in Haiti vor Augen geführt. Sie haben Mitleid geweckt. Sie haben den Menschen das Herz geöffnet. In einem Land, das uns zuweilen als eine Republik der Ich-Sucht erscheint, wurden allein in der Spendengala von ZDF und Bild 18 Millionen Euro an selbstloser Hilfe geleistet. Ein Zeichen der Mitmenschlichkeit. Und darauf dürfen die Organisatoren mit Recht stolz sein. Die Medien werden mit den Hilfsorganisationen akribisch über den Einsatz der Mittel berichten und Rechenschaft ablegen. Da die Haiti-Spenden zweckgerichtet in diesem Katastrophengebiet eingesetzt werden, können die Hilfsorganisation alle anderen Einkünfte aus Stiftungen und kontinuierlichen Überweisungen gezielt in jene Gebiete lenken, die außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung liegen. Korrupte Regime in Asien und Afrika gewähren den Medien keinen Zutritt, weil sie fürchten, erschütternde Bilder aus ihrem Herrschaftsgebiet könnten auch ihre eigene Macht erschüttern. Die Spendengala hat also allen geholfen.

evangelisch.de: Die deutsche Sprache hat ein neues "Unwort des Jahres" - die zuvor kaum jemandem geläufige Vokabel "betriebsratsverseucht". Was wäre Ihr persönlicher Favorit für den Titel gewesen? Oder sind Sie mit der Wahl zufrieden?

Ernst Elitz: Durchaus. Dieses Wort ist wie "Rentnerschwemme" oder "sozialverträgliches Ableben" ein weiterer Beweis, wie würdelos über andere Menschen geurteilt wird. Da kann mir auch keiner sagen: Das ist uns halt mal so rausgerutscht. Rausrutschen kann nur, was drin ist. Mein Favorit wäre nach der "Entlassungsproduktivität", was soviel heißt wie Rausschmiss der Arbeitnehmer, der neu geprägte Begriff "Flexibilitätspuffer". Mit diesem Unwort wurde der Zeitarbeiter als menschliches Wesen aus der Sprache getilgt. Dieses Wort ist asozial.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.