Eine konkrete Obergrenze für die Afghanistan-Truppen werde es kommende Woche geben. Guttenberg schloss weder eine von den USA geforderte Aufstockung des deutsche Kontingents aus noch eine Lösung innerhalb der geltenden Obergrenze von 4.500 deutschen Soldaten. Das entscheidende Kriterium ist nach seinen Worten, die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte und den Schutz der Bevölkerung zu verbessern. Der Minister sprach sich erneut gegen ein Enddatum eines Truppenabzugs aus. "Das würde denen in die Hände spielen, die die Uhr zurückdrehen wollen."
Sprecher: "Die Zahl entbehrt jeder Grundlage"
Zuvor waren Spekulationen bekannt geworden, Guttenberg wolle in der Bundesregierung eine Aufstockung möglichst um 1.500 Soldaten durchsetzen. Hohe Angehörige des Ministeriums sagten der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin am Freitag, um eine realistische Abzugsperspektive zu eröffnen, müsse das deutsche Kontingent auf 6.000 Mann erhöht werden. 500 dieser 1.500 Soldaten sollten als "Reserve" eingeplant werden, damit die vom Bundestag zu beschließende neue Obergrenze nicht gleich wieder ausgeschöpft werde. So könne man mit Blick auf Kritiker von nur "knapp unter 1.000" Soldaten mehr sprechen.
Der militärische Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, dementierte die Angaben. Die Zahl "entbehrt jeder Grundlage", sagte er. Das Verteidigungsministerium hat in der Vergangenheit oft Angaben dieser Art zunächst zurückgewiesen, später dann selbst verkündet. So dementierte das Ministerium 2008 über Wochen, dass das deutsche Kontingent auf 4.500 Mann aufgestockt werden solle, was dann so beschlossen wurde. Dienst selbst hatte im September nach dem von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff in Nordafghanistan dementiert, dass Zivilisten unter den Toten sind. Nach Nato-Angaben waren unter den bis zu 142 Opfern 30 bis 40 Zivilisten. Da die USA ihre Truppen um 30.000 Soldaten aufstocken wollen, wird auch von den internationalen Partnern mehr verlangt.
SPD-Chef: Käßmanns Predigt klüger als manche Kritik daran
Die SPD äußerte sich unterdessen ablehnend zu einer Aufstockung und bekräftigte ihre Forderung, spätestens in fünf Jahren alle deutschen Soldaten aus Afghanistan zurückzuholen. "Wir schlagen dafür den Zeitkorridor 2013 bis 2015 vor", sagte Parteichef Sigmar Gabriel am Freitag auf einer Afghanistan-Konferenz der Sozialdemokraten in Berlin. Allen beteiligten Akteuren müsse klar sein, dass das militärische Engagement nur zeitlich befristet sein könne. Die internationale Gemeinschaft müsse deshalb mit der Regierung in Kabul einen entsprechend Fahrplan ausarbeiten. Er verwies auf die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, mit dem Abzug der ersten amerikanischen Truppen bereits im nächsten Jahr zu beginnen.
Gabriel dankte den Kirchen für ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz. "Wer, wenn nicht die Kirchen dieser Welt haben das Recht - wenn nicht sogar die Pflicht - mehr Fantasie für den Frieden einzufordern?", sagte er bei einer Afghanistan-Konferenz der SPD in Berlin. Deutschland sei ein armseliges Land, wenn kritische Einmischung und das Hinterfragen von Entscheidungen nicht begrüßt würden.
Die umstrittene Neujahrspredigt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, bezeichnete Gabriel als "klug und differenziert". Sie sei klüger und differenzierter gewesen als mancher Kritiker der Predigt. Käßmann hatte zum Jahreswechsel mehrfach den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan kritisiert und einen Plan für den Abzug der deutschen Soldaten gefordert, was ihr neben Zustimmung auch viel Kritik besonders von Politikern eintrug. Gabriel dankte auch dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, der kürzlich mit Blick auf Afghanistan einen "gerechten Frieden" angemahnt hatte.
Regierungserklärung am 27. Januar
Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff kritisierte es als voreilig, dass Guttenberg die neuen Strategievorschläge des US-amerikanischen ISAF-Chefs, General Stanley McChrystal, begrüßt hat. Sie hätte sich gewünscht , dass Guttenberg "zunächst einmal den Entscheider, also das Parlament, über die neue Strategie informiert hätte", sagte sie der "Neuen Westfälischen" (Freitag).
Angela Merkel hat für den 27. Januar eine Regierungserklärung im Bundestag angekündigt, mit der sie einen Tag vor der Londoner Afghanistan-Konferenz über die Regierungspläne zur Zukunft des Afghanistan-Einsatzes informieren. An der von ihr mit initiierten internationalen Konferenz will sie allerdings nicht teilnehmen.
Am Donnerstagabend wurde der neue Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker (55), von Verteidigungsminister zu Guttenberg in sein Amt eingeführt. Der Vier-Sterne-General ist Nachfolger von Wolfgang Schneiderhan, der im Zuge der Kundus-Affäre Ende November von Guttenberg entlassen worden war.