Der neue Patriarch soll bereits am Sonntag oder aber am Mittwoch, dem Gedenktag des heiligen Sava, in sein Amt eingeführt werden. Sava (1175-1236) gründete im 13. Jahrhundert die orthodoxe Kirche in Serbien. Seit dem Tod von Patriarch Pavle I. hat das Interesse an Kirchenthemen in der serbischen Presse enorm zugenommen: Es vergeht kein Tag, an dem nicht in großen Lettern über die Wahl des neuen Patriarchen berichtet wird. Mögliche Kandidaten werden von allen Seiten beleuchtet, über die Flügel in der serbischen Nationalkirche ausführlich berichtet.
Diskussion um Weihnachtsmesse
Auch die Konkurrenz zwischen einzelnen Bischöfen wird analysiert. Das Belgrader Magazin "Nin" fragte besorgt, ob orthodoxe Bischöfe aus eigennützigen Motiven verhindert hätten, dass die weihnachtliche Mitternachtsmesse aus Belgrad im Fernsehen übertragen wurde. Statt der Messe mit dem Patriarchatsverweser und ambitionierten Bischof Amfilohije aus der Domkirche in Belgrad wurde die Weihnachtsliturgie von Jevfrem, dem Bischof von Banja Luka in Bosnien, übertragen.
Am Weihnachtsmorgen kam der TV-Gottesdienst aus Kraljevo, einer Provinzstadt in unmittelbarer Nähe des mittelalterlichen Kloster Zica. Dort residiert Bischof Hrisostom, dem auch Chancen bei der Patriarchenwahl eingeräumt werden. Die serbisch-orthodoxen Kirche reagierte verärgert auf die Medienspekulationen. Auf ihrer Internetseite, auf der sonst eher selten Wichtiges zu finden ist, heißt es mahnend: "Wir bitten die Medien, die geistliche Autorität der Kirche zu respektieren und nicht sensationalistisch und fern der Wahrheit zu berichten."
Kompliziertes Wahlverfahren
Die Aufregung wird sich legen, wenn am Freitag oder Samstag der neue Patriarch von der Kirchenversammlung in der Patrijar, dem Sitz der serbisch-orthodoxen Kirche, gewählt wird. Das Wahlverfahren ist kompliziert. Wählen dürfen nur die Bischöfe, einschließlich der autonomen Erzdiözese Ohrid (Makedonien). Derzeit sind das 45 Personen. In einem ersten Schritt müssen sie sich auf drei Kandidaten festlegen. Deren Namen werden in drei Briefumschläge gesteckt, die wiederum in die leeren Buchdeckel des Heiligen Evangeliums gelegt werden. Die eigentliche Wahl erfolgt per Losentscheid.
Die Belgrader Zeitung "Blic" meldete, dass die Amtseinführung des neuen Patriarchen schon an diesem Sonntag stattfinden werde. Erwartet werde eine "eine schnelle Wahl, die schon am Freitagabend zu Ende sein wird". Ob sich die Bischöfe tatsächlich so zügig einigen werden, bleibt abzuwarten. Die Liste der möglichen Kandidaten ist lang, Nachrichten aus dem Patriarchensitz dringen kaum nach außen. Nach den Quellen aus Montenegro soll der montenegrinische Metropolit und das Interims-Oberhaupt der Kirche, Amfilohije Radovic, nicht mehr zu den Favoriten zählen.
Dagegen zeigen sich die bosnischen Bischöfe, die fast die Hälfte der Versammlungsmitglieder stellen, offensiv in der Öffentlichkeit. Der Bischof von Tuzla, Vasilije Kacavenda, wird seit Tagen als der Favorit gehandelt. Aufgefallen ist der Bosnier nicht nur durch seinen Konservatismus und seine guten Kontakte zur russischen Orthodoxie, man kennt ihn als Anhänger der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic. Sein luxuriös und kitschig möblierter Amtssitz in der ostbosnischen Stadt Bijeljina lieferte wiederholt Stoff für Boulevardblätter.
Viele Gläubige in Deutschland
Ein weiterer bosnischer Kandidat ist der weltoffenere 43-jährige Bischof von Herzegowina, Grigorije Djuric. Genannt werden ebenfalls der 63-jährige Bischof von Backa, Irinej Bulovic, der im Ausland höchstes Ansehen als Theologe genießt. Für gute Kontakte zu anderen Religionsgemeinschaften ist Bischof Lavrentije bekannt, der viele Jahre lang in Westeuropa und Australien tätig war. Gerade die Auslandsserben in Europa und den USA haben große Bedeutung für die Kirche. In Deutschland wird von 250.000 serbisch-orthodoxen Christen ausgegangen.
Auch die serbische Regierung dürfte ein Wörtchen mitreden. Denn sie wünscht sich wohl einen Befürworter der EU-Annäherung Serbiens an der Spitze der Kirche, der eher unter den jüngeren Bischöfen vermutet werden dürfte. Im krassen Gegensatz dazu steht der höchste serbisch-orthodoxe Würdenträger im Kosovo, Artemije (Marko Radosavljevic). Er lehnt seit der Unabhängigkeit des Kosovo jede Zusammenarbeit mit westlichen Staaten ab. Auch der einst für seine Kriegshetze und engen Kontakte zum Regime von Slobodan Milosevic bekannte "rote" Filaret Micovic wäre wohl kaum ein Patriarch nach den Wünschen der Belgrader Führung.