Käßmann: Als Bischöfin habe ich Stellung zu beziehen
Die neue EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, kann sich über mangelnde Aufmerksamkeit in den Medien nicht beklagen. Nun hat sie dem "stern" ein großes Interview gegeben. Sie verteidigt darin ihre kritische Haltung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan und spricht auch über sehr persönliche Dinge wie das Älterwerden und Sterben.

"Als Bischöfin habe ich Stellung zu beziehen", sagte die hannoversche Landesbischöfin dem Hamburger Magazin mit Bezug auf die Diskussion um Afghanistan. Die heftigen Reaktionen auf ihre Dresdner Neujahrspredigt hätten sie dennoch überrascht: "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass meine Predigt in Dresden solche Reaktionen auslöst." Käßmann hatte in Predigten und Interviews zum Jahreswechsel mehrfach den Bundeswehreinsatz Hindukusch kritisiert und einen Abzugsplan gefordert. Der Krieg sei nach friedensethischen Maßstäben der evangelischen Kirche nicht zu rechtfertigen. Auf Kritik stieß insbesondere der Satz "Nichts ist gut in Afghanistan."

Käßmann wehrte sich gegen den Vorwurf der Naivität: "Wenn ich so blauäugig bin, wie mir unterstellt wird, dann könnten die Kritiker mich ja ignorieren. Also, mich erstaunt schon diese Heftigkeit." Fantasie für den Frieden sei nicht naiv. Sie vermute, diese Reaktionen erklärten sich auch durch das Fehlen einer klaren Strategie für Frieden in Afghanistan, so die Bischöfin im "stern". Die Verantwortlichen wüssten, dass "die große Mehrheit der Bevölkerung den Einsatz dort ablehnt." Auch viele Soldaten fragten: "Was ist die Strategie? Warum sind wir hier?"

Militär muss gerechten Frieden schaffen

Sie glaube nicht, dass die Welt ohne Religion besser dran wäre, fügte Käßmann im Gespräch mit dem "stern" hinzu. Religion sei kein Faktor der Konfliktverschärfung, Religion schaffe vielmehr Frieden. Religion habe sich allerdings immer wieder verführen und missbrauchen lassen, räumte sie ein. "Es gibt in der Religion Fundamentalisten. Und ein Fundamentalismus, der andere Menschen für minderwertig erklärt, ist für mich nicht religiös vertretbar." Zum Begriff gerechter Krieg sagte die Bischöfin, dies sei kein Thema ihrer Kirche. "In klaren Ausnahmefällen, wo der militärische Einsatz den gerechten Frieden ermöglicht, können wir ihn nach strengen Kriterien befürworten." Es sei ganz klar die Aufgabe der Kirche, zum Frieden zu rufen.

Käßmann rief in dem ausführlichen Interview dazu auf, sich mehr mit dem Altwerden und Sterben zu beschäftigen. "Das hat unsere Gesellschaft verlernt." Alle wollten möglichst lange leben, aber nicht alt und gebrechlich werden. "Wir verdrängen das Alter. Im Fernsehen sehen sie selten Menschen, die 80, 85 oder 90 Jahre alt sind", so die Bischöfin. Zum Altwerden gehöre allerdings auch Mut, räumte die Repräsentantin von rund 25 Millionen Protestanten in Deutschland ein. Sie selbst sei gespannt auf das Sterben, sagte die 51-Jährige. Alle wünschten sich einen Tod, der schnell kommt, am besten unbemerkt im Schlaf. "Aber wäre es nicht gut, ihn bewusst zu erleben?" Sie sei sich sicher, dass der Tod nicht das Ende ist.

"Überlege mir nicht dauernd, wer ich bin"

Zu ihrer persönlichen Lebenseinstellung befragt, sagte Käßmann: "Ach, ich sitze nicht jeden Abend da und überlege mir, wer ich ganz genau bin." Auch nach der Kritik an ihren Äußerungen zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan zum Jahreswechsel lege sie sich nicht "abends ins Bett und schluchze ins Kissen, weil mich wegen dieser Predigt manche angreifen."  Sie falle "halt nicht so leicht um", fügte sie hinzu. "Ich bin Ausdauerläuferin. Und ich hab auch eine innere Ruhe, weil ich mich von meinem Glauben gehalten weiß. Ich fühle mich als Kind Gottes." Zudem sei sie "fromm" und ein "fröhlicher Christenmensch. Ich lache gern."

Von ihrer Kirche wünsche Sie sich, dass sie um die Brüche im Leben der Menschen weiß. Es sei klar, dass Menschen in ihrem Leben auch scheitern. Das Leben sei vielfältig, sagte sie auch mit Blick auf ihre Scheidung und Krebserkrankung. "Ich liebe meinen Beruf", bekräftigte Käßmann. Sie freue sich aber auch auf die Zeit, in der sie wieder mehr Zeit für sich habe. Als Bischöfin sei sie eine öffentliche Person, aber die Grenze zum Privaten sei klar. Eine Bischöfin führe das Amt auch nicht mit Macht und Gewalt, sondern mit der Überzeugungskraft des Wortes. "Anscheinend ist es ja so, dass viele Menschen hören möchten, wie ich die Dinge sehe."

epd