"Lotta und die alten Eisen", Mittwoch, 20. Januar, 20.15 Uhr im ZDF
"Das Leben ist kein Ponyhof" steht auf einem der vielen T-Shirts, mit denen die junge Lotta die Mitmenschen über ihren jeweiligen Gemütszustand informiert. Aber was nützt die keckste T-Shirt-Parole, wenn das gute Stück beim Windelwechseln in Mitleidenschaft geraten ist. Trotzdem lässt sich Lotta nicht unterkriegen, und wie das flatterhafte junge Ding erwachsen wird: Das ist eine wunderbar gespielte, humorvoll und gleichzeitig nachdenklich sowie mit genau dem richtigen Tempo erzählte Komödie.
Uneingeschränkter Star des Film ist Josefine Preuß, die Rollen wie diese herrlich lebensnah, natürlich und restlos überzeugend verkörpert; ganz gleich, ob Lotta schmollt oder wie ein Derwisch durchs Seniorenheim tobt und die meisten Bewohner mit ihrer Lebensfreude ansteckt. Bloß Schwester Rosalinde lässt sich nicht täuschen. Barbara Auer ist eine großartige Gegenspielerin für ihre energiegeladene junge Kollegin, weil sie das überschäumende Temperament von Josefine Preuß mit in sich ruhender Gelassenheit und nuanciertem Spiel ausgleicht. Rosalinde ist ohnehin nicht der hässliche Hausdrache, den man in dieser Rolle erwarten würde. Allerdings gibt sie erst nach und nach Einblicke in ihr Seelenleben preis.
Autor der Geschichte ist Stefan Rogall, der einige seiner schönsten Komödien für Leonard Lansink (zuletzt "Der Stinkstiefel", ebenfalls mit Josefine Preuß) und Fritz Wepper ("Nicht ohne meine Schwiegereltern") geschrieben hat. "Lotta & die alten Eisen" ist dem TV-Titel zum Trotz (die Romanvorlage von Annegret Held heißt "Die letzten Dinge") keine Altenheimklamotte, selbst wenn die Lehrzeit der Titelheldin meist in komische Momente ausartet. Lustig aber ist das alles nicht, denn es geht um Pflegenotstand und Betreuung im Laufschritt.
Dabei gerät Lotta nur durch Zufall in diese Welt: Als sie eine verwirrte alte Frau zurück in das Haus Abendrot begleitet, hält die Leiterin des Pflegepersonals sie für die versprochene Praktikantin. Entsetzt sucht Lotta das Weite, nur um kurz drauf reumütig zurückzukommen: Ihr Vater hat die Nase voll davon, dass sie ständig ihre Ausbildungen abbricht; die ersehnte Reise zur Schauspielschule in New York wird er ihr nur finanzieren, wenn sie ein Praktikum bis zum bitteren Ende durchzieht. Rosalinde teilt die Bedenken des Vaters, doch Lotta entwickelt ungeahnte Nehmerqualitäten; aber sie muss auch schmerzhaft lernen, dass Rosalindes vermeintliche Gefühlskälte purer Selbstschutz ist.
Rogall hat eine Vielzahl schöner Szenen ersonnen, in denen sich dank Edzard Onnekens Regie auch die alten Herrschaften (unter anderem Lissy Tempelhof, Friedrich Schoenfelder und Peter Gavajda) immer wieder profilieren können. Die schönsten Rollen haben dabei Jockel Tschiersch als einstiger Rock-Sänger, der nun verbittert im Rollstuhl sitzt, und Heidy Forster als großmütterliche Freundin Lottas, deren Demenz immer wieder zu berührenden Momenten führt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).