Clinton und Bush betonten, nach dem Erdbeben spendeten US-Amerikaner ungeachtet ihrer politischen Haltung. Zu ihren Amtszeiten waren die Ex-Präsidenten aber unterschiedlich in Sachen Haiti vorgegangen: Clinton schickte 1994 US-Streitkräfte nach Port-au-Prince, um den von Militärs gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide wieder einzusetzen. Ein Jahrzehnt später ließ Bush Aristide außer Landes schaffen. Der einstige Hoffnungsträger hatte völlig abgewirtschaftet und Mordbanden auf seine Gegner gehetzt.
Obama bewilligte am Tag nach dem Erdbeben 100 Millionen US-Dollar für Nothilfe und erklärte Haiti zur Chefsache. Außenministerin Hillary Clinton versicherte, die USA würden Haiti langfristig beistehen. Bill Clinton, der zugleich UN-Sonderbeauftragter für Haiti ist, wurde am Montag in Haiti zu Gesprächen mit Präsident René Preval erwartet. Er fühle eine "tiefe Verpflichtung" für Haiti, sagte er. Hillary und er hätten dort 1975 die Flitterwochen verbracht und sich geradezu in das Land verliebt, schrieb Clinton im Wochenmagazin "Time."
Langfristig wirksam: Ausbau des Bildungswesens in Haiti
Nach dem ersten Schock über die Bilder aus Port-au-Prince wird in US-Entwicklungsorganisationen über langfristige Hilfe diskutiert. Bei Hilfsaktionen in dem von Naturkatastrophen geplagten Karibikstaat sei die Hilfe oft ohne die Mitwirkung der Haitianer organisiert worden, kritisierte Monika Kalra Varma vom "Robert Kennedy Center für Gerechtigkeit und Menschenrechte". Das dürfe nicht wieder passieren.
Walter Russell Mead vom "Rat für Ausländische Angelegenheiten" begrüßte Obamas Initiative. Die USA handelten auch im eigenen Interesse. Rund 800.000 Haitianer lebten in den USA, darunter zahlreiche illegale Einwanderer. Langfristig am wirksamsten sei wohl ein starker Ausbau des Bildungswesens in Haiti, um dort eine gebildete professionelle Klasse zu schaffen.
Schockierend: Katastrophe war vorhersehbar
Es gab aber auch erste Kritik an Obama. 100 Millionen Dollar sei lediglich so viel wie in den USA ein Hauptgewinn im Lotto, sagte Bill Quigley, ein Juraprofessor in New Orleans und Überlebender des Hurrikans "Katrina". Dabei sei Haiti schon vor dem Erdbeben so arm gewesen, dass viele Menschen hungerten. Quigley macht die USA dafür mitverantwortlich. Hätten US-Streitkräfte doch Haiti von 1915 bis 1934 besetzt, und hätten die USA doch von 1957 bis 1986 die brutalen Regime von François Duvalier ("Papa Doc") und seinem Sohn Jean-Claude ("Baby Doc") unterstützt.
David Rothkopf von der "Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden" findet an der Katastrophe besonders schockierend, dass die Zerstörung vorhersehbar gewesen sei. Seismologen hätten noch vor zwei Jahren vor einem Erdbeben gewarnt, schrieb er im Wochenmagazin "Newsweek". Aber die haitianische Regierung habe wohl aus Mangel an Ressourcen nichts unternommen, und die USA und die gesamte internationale Gemeinschaft hätten viel zu wenig getan. Dabei hätten vorbeugende Maßnahmen "nur einen Bruchteil des Irak-Krieges" gekostet.
Wohltätigkeitsveranstaltungen in den USA häufen sich
Scharfe Kritik übte "Jubilee USA Network", ein Verband entwicklungspolitisch engagierter Kirchen, an dem 100-Millionen-Dollar-Darlehen, das der Internationale Währungsfonds (IWF) Haiti vergangene Woche für Wiederaufbau in Aussicht gestellt hat. Haiti brauche schnell Geld, "aber was Haiti am wenigsten braucht, sind mehr Schulden." Die internationale Gemeinschaft müsse Haiti seine Schulden in Höhe von 641 Millionen Dollar erlassen, forderte "Jubilee USA". 2010 werde Haiti sonst dem IWF und der Interamerikanischen Entwicklungsbank etwa zehn Millionen Dollar zahlen müssen.
Mittlerweile häufen sich auch die Wohltätigkeitsveranstaltungen in den USA. Dem Fachblatt "Hollywood Reporter" zufolge werden am Freitag mehrere Fernsehsender ein zweistündiges Benefizkonzert für Haiti übertragen. Als Moderator ist Filmstar George Clooney vorgesehen.