Vor knapp einem Jahr formulierte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Wunsch. Auf einer Tagung der Katholischen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart warb der evangelische Christ Schäuble für den Aufbau einer Fakultät für islamische Theologie an einer deutschen Universität. Damit könnte eine Voraussetzung geschaffen werden, um Imame, Religionslehrer und Theologen auszubilden, äußerte Schäuble. "Das ist wichtig, damit die internen Diskussionen der Muslime öffentlich werden und das Bild vom Islam nicht von einer Minderheit geprägt wird."
Die Deutsche Islamkonferenz, die Schäuble ins Leben rief, gab beim Abschlussplenum im Juni vergangenen Jahres ähnliche Empfehlungen: Für die Ausbildung von Lehrern für islamischen Religionsunterricht und von Imamen sollten islamisch-theologische Forschungs- und Lehrangebote an deutschen Hochschulen "möglichst zeitnah" geschaffen werden. In dem Empfehlungskatalog wird jedoch auf eine verfassungsrechtliche Hürde für die akademische Verankerung islamischer Theologie verwiesen. Für die Einrichtung von Lehrstühlen und vergleichbaren akademischen Bildungsangeboten ist der Staat auf Religionsgemeinschaften oder Konfessionen als Kooperationspartner angewiesen. Denn über Studieninhalte, Prüfungsordnungen und Lehrpersonal muss Einvernehmen erzielt werden.
Wissenschaftsrat legt Thesenpapier vor
Wie diesen Zielen näher zu kommen ist, könnte sich recht bald zeigen. Ende Januar wird dem Wissenschaftsrat, einem hochrangigen politischen Beratungsgremium, ein Papier zum Themenkomplex "Theologien und Religionswissenschaften an deutschen Hochschulen" vorgelegt. Seit dem Jahr 2007 hatte eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Trierer Historikers Lutz Raphael über die besondere Position der theologischen Fakultäten nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden religiösen Vielfalt beraten.
Unabhängig davon hat sich an mehreren Orten ein Schwerpunkt islamische Religion herausgebildet: Etwa in Erlangen-Nürnberg (Interdisziplinäres Zentrum für islamische Religionslehre), Münster (Centrum für religiöse Studien) und Frankfurt am Main, wo Stiftungspofessuren für islamische Religion im Fachbereich Evangelische Theologie angesiedelt waren. Zum Vorreiter für islamische Religionspädagogik entwickelte sich unterdessen die Universität Osnabrück. Ab dem Wintersemester 2010/2011 soll dort eine universitäre Imam-Fortbildung erfolgen. Dabei sind islamische Verbände zwar einbezogen, verantwortet wird das Konzept aber vom Staat.
2.000 Imame in Deutschland tätig
Langfristig werde in Osnabrück auch ein Vollstudium islamische Theologie angestrebt, sagte der Professor für Religionswissenschaft, Rauf Ceylan, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dafür gebe es eine große Nachfrage. Nach Ceylans Schätzungen sind in Deutschland rund 2.000 Imame tätig. Mehr als 90 Prozent davon stammten aus dem Ausland, überwiegend aus der Türkei, sagt der Wissenschaftler, von dem im Frühjahr eine Studie "Prediger des Islam - Imame in Deutschland" erscheint.
Als bundesweit erste Hochschule wird voraussichtlich die Universität Frankfurt am Main ein vollwertiges Studium der Islamischen Theologie anbieten. Dort wurde ein eigenständiges "Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam" gegründet. Dort sind auch die drei Professoren künftig tätig, die befristet von der staatlich-türkischen Religionsbehörde "Diyanet" finanziert werden. Derzeit wird ein Lehrplan für das Fach erarbeitet, wie Uni-Vizepräsident Matthias Lutz-Bachmann sagte. Ziel sei die "Neukonstitution dieser Wissenschaft" im Zusammenhang mit benachbarten Disziplinen.
"Als Wissenschaft noch nicht hinreichend entwickelt"
Islamische Theologie als Wissenschaft sei mit der Ausnahme der Schule von Ankara im islamischen Raum noch nicht hinreichend entwickelt worden, so Lutz-Bachmann. Vorbild für das Frankfurter Fach seien daher die Konzepte von Theologie als Wissenschaft, wie sie seit dem 12. Jahrhundert an den europäischen Universitäten entworfen wurden. "Es ist seinerzeit nur im lateinischen Westen zu einer Theologie als Wissenschaft gekommen", sagte der Philosoph. Daran müsse das gegenwärtige Vorhaben anknüpfen.
Forschungsschwerpunkte des Instituts sind nach eigenen Angaben der Koran, das geistige Erbe des Islam sowie Islam und Muslime in Europa. Der Studiengang Religionswissenschaft mit Schwerpunkt Islamische Religion kann mit einem Bachelor oder Master abgeschlossen werden. Im vergangenen Sommersemester verzeichnete er nach Angaben der Universität 100 Studierende, davon 90 aus islamischen Einwandererfamilien.