"Geld kein Mittel für erfülltes Leben"
"Auch der Bösewicht muss Charme haben": Regisseur Dieter Wedel über seinen Zweiteiler "Gier", ein dubioses Angebot des Millionenbetrügers Jürgen Harksen und sein unerotisches Verhältnis zum Geld.
15.01.2010
Von Martin Weber

Der ewige Traum vom schnellen Geld und dem ganz großen Gewinn: In seiner zweiteiligen, angesichts des Finanzkrise brandaktuellen Gesellschaftssatire "Gier" (Teil 1 und 2 am Freitag, 15.1., 20.15 Uhr, Arte und am 20.1./21.1., 20.15 Uhr, ARD) erzählt Regisseur Dieter Wedel die Geschichte des betrügerischen Anlageberaters Dieter Glanz, der reichen Anlegern mit dem Versprechen auf gigantische Zinserträge riesige Summen aus den Taschen zieht.

Der 70-jährige Dieter Wedel, der auch das Drehbuch schrieb, zählt seit vielen Jahren zu den wichtigsten Regisseuren Deutschlands und hat mit Mehrteilern wie "Der große Bellheim" oder "Der Schattenmann" Fernsehgeschichte geschrieben. Er lebt in Hamburg und auf Mallorca.

evangelisch.de: Herr Wedel, als Sie das Drehbuch Ihres Zweiteilers über einen betrügerischen Anlageberater geschrieben haben, war die weltweite Finanzkrise noch gar nicht ausgebrochen, mittlerweile hat sie eine breite Spur der Verwüstung gezogen. Haben Sie diese Entwicklung geahnt?

Dieter Wedel: Den Zeitpunkt der Krise und ihr Ausmaß habe ich natürlich nicht voraussehen können, aber es gab schon länger Anzeichen, dass sich das Klima in unserer Gesellschaft wandelt, und das war auch der Anlass, warum ich mich mit dieser Hochstaplergeschichte beschäftigt habe. Ich habe den Eindruck, dass das Profitstreben seit ein paar Jahren immer mehr in die reine Habgier umgeschlagen ist – in allen gesellschaftlichen Bereichen. Manche Menschen definieren sich nur noch über die Größe ihres Hauses oder die Dicke ihrer Brieftasche. Eine Gesellschaft, die für alles nur noch den Preis, aber keine Werte mehr kennt, ist aus dem Gleichgewicht.

Dubiose Offshore-Firma

evangelisch.de: Sie haben sich auch von dem wahren Fall des Hamburger Hochstaplers Jürgen Harksen inspirieren lassen, der gutgläubige Geldanleger um Millionen prellte und dafür in den Knast wanderte.

Wedel: Stimmt, ich las in einer Zeitung über seinen Prozess, und die Gerichtsreporterin schrieb, die ganze Geschichte höre sich an wie ein Mehrteiler von Wedel – das war natürlich eine Steilvorlage. Ich habe mich daraufhin mehrmals mit Harksen in meinem Haus in Hamburg getroffen, für die Treffen hat er extra Freigang aus der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel bekommen. Ich habe ihn immer mit dem Wagen abholen lassen, und er hat sich dann gleich bei dem Fahrer der Firma darüber beschwert, dass es kein ganz neuer Mercedes war (lacht).

evangelisch.de: Klingt nicht sehr sympathisch.

Wedel: Er hat mir zuerst ungemein geschmeichelt, und wir sind dann immer so fünf bis sechs Stunden zusammengesessen. Beim zweiten Mal hat er sich schon für meine Finanzen interessiert – er wollte mir gleich eine dubiose Offshore-Firma auf Jersey andienen, weil er fand, dass ich viel zu viel Steuern zahle. Dann habe ich mich mit einer ganzen Reihe seiner geprellten Kunden getroffen und dabei festgestellt, dass auch viele meiner Freunde, die ich auf Mallorca habe, von Harksen betrogen wurden. In die Figur des Dieter Glanz, der so grandios von Ulrich Tukur gespielt wird, sind aber auch noch andere reale Vorbilder eingeflossen.

evangelisch.de: Welche Fähigkeiten, wenn man das so nennen will, haben solche Betrüger?

Wedel: Es ist vor allem die Fähigkeit, erst mal so etwas wie Freundschaft herzustellen, was im Film, glaube ich, doch sehr deutlich wird. Da geht es zunächst mal noch gar nicht um Geld, es geht vielmehr um das Gefühl, einer auserwählten Gruppe anzugehören. Das ist dasselbe wie bei einem Sektenguru, der Jünger um sich schart. Das Heilsversprechen dieser Leute ist der große Gewinn, doch am Ende steht für die Anleger der totale Verlust. Dabei habe ich in vielen Fällen festgestellt, dass die Betrogenen unter dem Verrat der Freundschaft fast mehr gelitten haben als unter dem Verlust des Geldes.

"Ein bisschen was von einem Guru"

evangelisch.de: Der Betrüger im Film heißt Dieter wie Sie – Zufall?

Wedel: Nein, kein Zufall. Er ist ja auch ein Geschichtenerzähler wie ich, und ich bin ja außerdem jemand, der bei der Arbeit auch immer eine Gruppe um sich herum versammelt. Die ist in den Medien ja oft als Wedel-Familie bezeichnet worden. Ich komme zwar nicht mit Heilsversprechen und haue die Leute nicht übers Ohr, aber ich gebe auch eine Sicherheit vor, die ich oft gar nicht habe – das muss jeder Regisseur bei der Arbeit. Er muss den Schauspielern vermitteln, dass er zu jedem Zeitpunkt weiß, wo es hingeht, sonst folgt ihm das Team nicht. Das hat auch ein bisschen was von einem Guru (lacht).

evangelisch.de: Dem die Schauspieler auch mal bei der Gage entgegenkommen, wie man hört.

Wedel: Ja, das haben sie dankenswerterweise gemacht, sonst hätten die Kosten den Rahmen des Films bei diesem herausragenden Ensemble gesprengt. Die besten Schauspieler Deutschlands und dann noch an den schönsten Schauplätzen der Welt, das wäre normalerweise gar nicht finanzierbar gewesen. Also sind alle Schauspieler bei den Gagen deutlich runtergegangen, um das Projekt zu ermöglichen.

evangelisch.de: Also haben Sie ihnen in gewissem Sinne auch das Geld aus der Tasche gezogen.

Wedel: Nein, um Gottes Willen (lacht). Ich hatte ja keinen persönlichen Vorteil davon. Ich habe ihnen nur gesagt: Das ist der Kuchen von knapp sieben Millionen Euro Produktionskosten, mehr kriegen wir nicht zusammen – das haben alle eingesehen, von Ulrich Tukur über Uwe Ochsenknecht bis Heinz Hoenig.

evangelisch.de: Tukur spielt den charismatischen Betrüger so charmant, dass er zur Identifikationsfigur für den Zuschauer wird. Ein unbeabsichtigter Effekt?

Wedel: Nein, weil ich keine Filme über unsympathische Menschen machen kann. Auch der Bösewicht muss groß sein, muss Charme und gute Argumente für sich haben, sonst wäre es doch langweilig.

"Arme Schweine"

evangelisch.de: Die Reichen, die von ihm übers Ohr gehauen werden, sind in ihrer Gier abstoßend, aber im Grunde ganz arme Schweine, oder?

Wedel: Natürlich, weil sie glauben, dass Geld glücklich macht – Geld ist wichtig, aber mit Sicherheit kein Mittel für ein erfüllteres Leben. Das habe ich schon oft bei Leuten beobachtet.

evangelisch.de: Was für ein Verhältnis haben Sie persönlich zum Geld?

Wedel: Geld ist mir insofern wichtig, als es mir die Freiheit gibt, das tun zu können, was ich tun will – ein gerade bei der Arbeit nicht zu unterschätzender Effekt. Ich besitze zwei schuldenfreie Immobilien in Hamburg und Mallorca, damit bin ich sehr zufrieden. Ich habe aber nie ein inniges Verhältnis zu meinem Bankkonto gehabt – die, wenn Sie so wollen, erotische Komponente ist mir beim Thema Geld völlig fremd.

evangelisch.de: Sind Sie auch selber schon mal das Opfer eines Anlagebetrügers geworden?

Wedel: Leider ja. Ich habe einmal einem betrügerischen Vermögensberater Geld anvertraut, das er innerhalb von vier Monaten mit Hilfe einer Schweizer Bank verzockt hat. Der Schaden war zum Glück nicht so groß, dass er meine wirtschaftliche Existenz gefährdete – er hätte wesentlich größer werden können, wenn ich nicht rechtzeitig gemerkt hätte, was gespielt wird.


Martin Weber arbeit als freier Journalist in Berlin.