Wissenschaftler verschütten 29 lebendige Schweine in Schneemassen und beobachten sie beim langsamen Ersticken und Erfrieren: Dieser Tierversuch im Tiroler Ötztal hat in Österreich für Entsetzen gesorgt. Eine landesweite Protestwelle führte schließlich dazu, dass die Forscher von der Medizinischen Universität Innsbruck am Donnerstagabend ihren am Dienstag gestarteten Versuch abbrachen. Man könne unter diesen Umständen nicht weiter arbeiten, sagte Studienleiter Peter Paal am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur dpa. Ob und wann der Versuch weitergeführt werde sei unklar. Nach Angaben des Forschers starben bisher zehn Tiere. Von dem Experiment erhofften sich die Wissenschaftler Informationen über die Umstände des Todes in Lawinen.
Als "unfassbar", "unethisch" oder "widerwärtig" hatten zahlreiche Tierschutzverbände und Parteien die am Donnerstag bekanntgewordene Aktion bezeichnet und ihr sofortiges Ende gefordert. Selbst das Land Tirol und die österreichische Bergrettung distanzierten sich.
Versuche sollen Menschenleben retten
Nach dem Versuchsablauf sollten noch etwa zwei Wochen lang jeden Tag zwei bis drei Schweine im Ötztal in einer simulierten Lawine eingegraben werden. Die Schweine werden dafür betäubt und an Geräte angeschlossen. Je nach Größe der Atemhöhle verfolgen die Wissenschaftler über Minuten oder Stunden das langsame Ersticken der Tiere. Andere Schweine werden nur bis zum Kopf im Schnee vergraben und erfrieren. Danach zerteilen die Forscher die Tiere und nehmen Gewebeproben.
Die Forscher, die zunächst noch auf der Weiterführung beharrten, gaben dann am Abend dem öffentlichen Druck nach. Inzwischen seien bereits Tierschützer am Versuchsort eingetroffen, sagte Paal. Er hält das Experiment grundsätzlich für sinnvoll, da es Menschenleben retten könne. Mit dem Versuch wolle man wichtige Erkenntnisse über die Überlebenschancen von Opfern in Lawinen erlangen: "In der dramatischen Situation nach einer Bergung können Notärzte somit besser beurteilen, ob und für welche Opfer reelle Überlebenschancen bestehen", teilte die Medizin-Uni mit. Das Zusammenwirken von Kälte und Sauerstoffmangel, dem im Schnee Verschüttete ausgesetzt sind, könne nur am lebenden Organismus getestet werden, so Paal. Nach Berechnungen des Kuratoriums für Alpine Sicherheit sterben in Österreich pro Jahr im Schnitt 26 Menschen den "weißen Tod".
Das Wissenschaftsministerium, das den Versuch genehmigt hatte, verteidigte am Abend die Entscheidung. "Tierversuche sind sicher ein sehr sensibles Thema, das von uns aber auch als solches behandelt wird", sagte Sprecherin Elisabeth Grabenweger. Im Vorfeld sei sichergestellt worden, dass der Versuch wissenschaftlich sinnvoll sei, es keine andere Erforschungsmöglichkeit gebe und die kleinstmögliche Zahl von Tieren dabei zu Schaden käme. Die Schweine sind nach Angaben der Sprecherin bereits im Stall narkotisiert worden und hätten vom weiteren Verlauf nichts mehr mitbekommen.
"Einer der widerwärtigsten Tierversuche"
Die Tierschützer warfen den Forschern mangelndes Gefühl für die ethische Vertretbarkeit von Experimenten vor: "Das ist wohl einer der widerwärtigsten Tierversuche, der jemals in Österreich durchgeführt worden ist", kritisierte der österreichische Tierschutzverein. Der Versuch diene lediglich der Profilierung von Wissenschaftlern, das Geld könne zielführender für Lawinensuchgeräte und die Aufklärung von Wintersportlern verwendet werden. Wodurch Menschen bei Lawinen sterben und wie lange das dauert, sei aus jahrzehntelanger Erfahrung bekannt, kritisierte die Organisation "Vier Pfoten".
Unterstützung erhalten die Kritiker von der Politik. Der Tierschutzreferent der Tiroler Landesregierung, Anton Steixner, will von dem Versuch nichts gewusst haben und war von den "sonderbaren Methoden" überrascht. "Schweine lebendig unter Schneemassen zu begraben, ist moralisch äußerst bedenklich", er distanziere sich von derartigen Experimenten. Auch die österreichische Bergrettung stellte den Sinn des Projekts infrage.