Kuwait: Staat soll private Schulden übernehmen
Sie haben Luxuskarossen, Möbel und Designerschuhe gekauft. Sie sind um die Welt geflogen und haben sich von dienstbaren Geistern massieren lassen. Die Schulden, die Kuwaits Bürger dabei angehäuft haben, soll jetzt der Staat übernehmen.
14.01.2010
Von Anne-Beatrice Clasmann

Jüngst verabschiedete das Parlament des kleinen Emirates, das über neun Prozent der weltweiten Erdölvorkommen verfügt, ein entsprechendes Gesetz. Danach soll der Staat alle Zinsen für private Kredite säumiger Schuldner bezahlen. Außerdem soll er den Banken diese Kredite "abkaufen". Die verschuldeten Bürger erhalten anschließend mindestens zehn Jahre Zeit, um das Geld ohne Zinsen zurückzuzahlen. Das wird teuer für den Staat. Die Schulden sollen sich auf umgerechnet rund 16 Milliarden Euro belaufen, hinzu kommen Zinsen in Höhe von 3,63 Milliarden Euro.

Öl als Kollektiveigentum

Die Mehrheit der Kuwaiter findet das neue Gesetz toll, das letztlich auf der Überzeugung fußt, der Ölreichtum des Landes sei das Kollektiveigentum der 1,1 Millionen Bürger des arabischen Landes. Das riecht nach Sozialismus, lässt sich aus Sicht der Kuwaiter aber bestens mit den Traditionen ihrer konstitutionellen Monarchie vereinbaren. "Unsere Regierung ist dafür bekannt, dass sie anderen Staaten sehr großzügig Geld gibt, aber Wohltätigkeit beginnt zu Hause", hatte der Vorsitzende des Finanzkomitees der Nationalversammlung, Jussif al-Salsala, vor der Abstimmung erklärt.

Die Regierung, die dem Emir, Scheich Sabah al-Ahmed al-Sabah, treu ergeben ist, kündigte zwar später an, sie werde das Gesetz, nicht umsetzen, weil es gegen Grundsätze der Verfassung verstoße. Doch die Parlamentarier könnten es auch ohne ihre Zustimmung durchboxen. Entweder sie verabschieden es bis zum Sommer noch einmal - mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit - oder sie warten bis zur neuen Sitzungsperiode im Herbst und verabschieden es dann erneut mit einfacher Mehrheit.

Dass die Bürger des Landes lieber lernen sollten, sparsamer zu leben, hört man von den kuwaitischen Ministern derweil nicht. Denn vielleicht würde dies zu unerwünschten Diskussionen über den luxuriösen Lebensstil der Herrscherfamilie Al-Sabah führen, die sich selbst schließlich auch aus der Staatskasse bedient.

Aktion bestraft vernünftige Bürger

Der kuwaitische Unternehmer Naif al-Mutawa, der die arabisch-islamische Comicserie "The 99" erfunden hat, findet das Schulden-Gesetz nicht fair, weil es seiner Ansicht nach den Maßlosen hilft und dadurch gleichzeitig alle Bürger bestraft, die mit ihrem Geld vernünftig umgegangen sind. "Wie jeder Mensch, der ein Kind großgezogen hat, weiß ich, dass das Benehmen immer schlechter wird, je mehr man schlechtes Benehmen belohnt", erklärt der Unternehmer und Vater von fünf Söhnen. Er hätte es besser gefunden, wenn sich die Parlamentarier der Idee einiger Abgeordneter angeschlossen hätten, die nach der Phase der hohen Öl-Preise vorschlagen hatten, jeder kuwaitische Bürger solle aus der Staatskasse einmalig 10.000 Dinar (23.975 Euro) in bar erhalten.

Kritik äußerten auch einigen islamische Religionsgelehrte. Sie erklärten, der staatliche Rettungsanker für Familien, die sich für den Kauf von "Luxusgütern" hoch verschuldet haben, verleite die Bürger zu noch mehr Verschwendungssucht.

dpa