Hildesheimer Michaeliskirche feiert 1.000-jähriges Bestehen
Sie war Strohlager, Kegelbahn und Sporthalle - heute gehört sie zum Weltkulturerbe der Menschheit wie das Kolosseum in Rom oder die Chinesische Mauer. Die St. Michaeliskirche in Hildesheim, ein herausragendes Denkmal spätromanischer Baukunst, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Von diesem Freitag an feiert Hildesheim mit einem großen Festprogramm das 1.000-jährige Bestehen der von 1010 bis 1033 errichteten Kirche.
14.01.2010
Von Michael Grau

Zur Eröffnung werden auch Bundespräsident Horst Köhler und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischöfin Margot Käßmann, erwartet. Unter dem Motto "Gottes Engel weichen nie" soll 2010 das ganze Jahr über gefeiert werden. In der Kirche, benannt nach dem Erzengel Michael, sind Konzerte mit dem Sänger Thomas Quasthoff, dem ehemaligen "Genesis"-Sänger Ray Wilson und dem Klarinettisten Giora Feidman geplant. Die Post hat anlässlich des Jubiläums eine Sonderbriefmarke herausgebracht.

Die Kirche evangelisch - die Krypta gehört der katholischen Kirche

Michaelis-Pastor Dirk Woltmann kommt ins Schwärmen, wenn er von seiner Kirche erzählt: "Als geistlicher Raum ist sie beglückend schön." Die Kirche wurde auf einem Hügel nach strengen geometrischen Prinzipien und einer ausgeklügelten religiösen Zahlensymbolik aus drei mal drei Quadraten errichtet, erzählt er. "Die Steine predigen auf ganz eigene Weise von der Existenz Gottes."

Von außen wirkt sie mit ihrem wuchtigen Mittelbau, ihren quadratischen Türmen und ihren vier schlanken Ecktürmen wie eine turmbewehrte Stadt, eine Gottesburg auf Erden. Innen zieht eine kostbare bemalte Holzdecke aus der Zeit um 1200 die Blicke auf sich.

Der kunstsinnige und gebildete Bischof Bernward von Hildesheim (um 960-1022) ließ 1010 den Grundstein für die Kirche legen. Er wurde 1022 in der Krypta beigesetzt. Hier liegt er bis heute - und verbindet die beiden großen Konfessionen. Die Kirche an sich ist evangelisch, doch ihre Krypta mit dem steinernen Sarkophag gehört der katholischen Kirche. 2006 ließen die beiden Konfessionen eine Mauer durchbrechen, die beide Teile des Gebäudes Jahrhunderte lang getrennt hatte.

Bewegte Geschichte der St. Michaeliskirche

Zum Jubiläum kann die Michaeliskirche auch die monumentale Christussäule wieder präsentieren, die zu ihrer ursprünglichen Ausstattung gehört hatte. Das Bronzekunstwerk gelangte im 19. Jahrhundert in den benachbarten katholischen Mariendom, weil kunstsinnige Bürgern sie nach der französischen Besatzung unter Napoleon vor dem Einschmelzen bewahrt hatten. Rund 200 Jahre später stellt sie der Dom jetzt als Leihgabe zur Verfügung.

1809 war die Michaeliskirche unter König Jérome Bonaparte geschlossen und zweckentfremdet worden. Zeitweise erwog man sogar den Abbruch des verfallenden Baudenkmals. 1844 wurde es der evangelischen Kirche zurückgegeben und renoviert.

Vor knapp 65 Jahren schien der Stolz der Kirche endgültig dahin: Verkohlte Balken lagen zwischen dampfenden Backsteinen, Rauch stieg auf, die Türme waren zusammengestürzt. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, am 22. März 1945, hatten britische und kanadische Bomber die Stadt vernichtet und die Kirche zerstört.

Doch noch im gleichen Jahr begann der Wiederaufbau. "Nach der Nazi-Zeit mit ihren falschen Idealen und Hassorgien brauchten wir Zeichen dafür, was der Grund und die Orientierung unseres Lebens ist", sagt der frühere hannoversche Landesbischof und heutige Loccumer Abt Horst Hirschler, der als Jugendlicher noch selbst den Mörtel von den Trümmern geklopft hatte. Für die 1.000-Jahr-Feier wurde die Kirche für rund drei Millionen Euro erneut umfassend saniert.