Holocaust-Überlebende wollen Papst boykottieren
Der geplante Besuch von Papst Benedikt XVI. in der römischen Synagoge löst bei Holocaust-Überlebenden Unbehagen aus. Sie kritisieren die geplante Seligsprechung für den umstrittenen Papst Pius XII. (1939-1958). Auch derVorsitzende der italienischen Rabbinerkonferenz will der für Sonntag vorgesehenen Visite fernbleiben. Der Vatikan hofft hingegen auf eine Verbesserung der katholisch-jüdischen Beziehungen.

Der Präsident des päpstlichen Einheitsrates, Kurienkardinal Walter Kasper, äußerte am Mittwoch in Rom die Hoffnung, dass der Besuch ein Zeichen sei, "dass der Dialog voranschreitet". Kasper erwartet zudem, dass er sich positiv auf die Verhandlungen über die Umsetzung des Grundlagenvertrages zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl auswirkt. Dabei geht es um die rechtliche Anerkennung der katholischen Kirche in Israel sowie steuerliche Behandlung für kirchlicher Einrichtungen wie Pilgerhospize und Krankenhäuser.

Der im Vatikan für den Dialog mit dem Judentum zuständige Kardinal äußerte "Verständnis für die Sensibilität von Holocaust-Überlebenden" im Zusammenhang mit dem Seligsprechungsverfahren für Pius XII. "Aber wir müssen ihnen auch sagen, was Pius für Tausende Juden getan hat", sagte er unter Hinweis auf die Öffnung römischer Klöster für verfolgte Juden während der deutschen Besatzung.

Absage erwogen

Nachdem das katholische Kirchenoberhaupt vor kurzem den "heroischen Tugendgrad" von Pius XII. anerkannt hatte, erwog die Jüdische Gemeinde zeitweise eine Absage des geplanten Synagogenbesuchs. Neben römischen Holocaust-Überlebenden will auch der Vorsitzende der italienischen Rabbinerkonferenz, Giuseppe Laras, den von einem massiven Sicherheitsaufgebot begleiteten Besuch des Papstes in der römischen Synagoge fernbleiben.

Die Begegnung werde kurzfristig kaum positive Auswirkungen auf den jüdisch-katholischen Dialog haben, sagte er der in Berlin erscheinenden "Jüdischen Allgemeinen". "Einzig die Kirche wird daraus Vorteile ziehen, vor allem mit Blick auf die konservativen Kreise." Laras beklagte, dass der jüdisch-christliche Dialog seit Benedikts Amtsantritt "immer kraftloser" geworden sei.

"Bis zum letzten Tag"

Angesichts der Hindernisse für den Papstbesuch räumte Kasper ein, es werde "bis zum letzten Tag der Geschichte" offene Fragen zwischen Juden und Christen geben. Trotz Schwierigkeiten im Dialog auch in jüngster Zeit habe sich jedoch ein Klima des beiderseitigen Vertrauens entwickelt, fügte der Kardinal hinzu. Papst Benedikt XVI. hat in seiner knapp fünfjährigen Amtszeit bisher zwei Synagogen besucht, im August 2005 in Köln sowie im April 2008 in New York.

epd