Angespannte Neugier schlägt Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) auf jeder neuen Station seiner ersten Auslandsreise entgegen. Die örtlichen Experten sind gespannt auf die neuen Ansagen von ganz oben. Sie sind aber auch ängstlich, weil der neue Chef nicht nur über die inhaltliche Ausrichtung ihrer Arbeit entscheidet, sondern auch darüber, ob er sie gänzlich überflüssig findet. Niebel ist anzumerken, dass er sehr wohl weiß, wie genau jeder seiner Schritte verfolgt wird.
Fettnäpfchenverdächtige Mission
Nachdem er bei seinem Amtsantritt mit Kritik überschüttet wurde, steht der 46-Jährige jetzt unter enormem Druck, das Ruder herumzureißen und zu zeigen, dass er es besser kann als alle erwarten. Er darf nicht zu herrisch und fordernd auftreten, sollte aber gleichzeitig neue Schwerpunkte setzen und für einen Kurswechsel in der Entwicklungspolitik stehen. Der Verwaltungswirt muss jetzt Projekte und Länder bewerten, von denen er bestenfalls nur gelesen hat. Eine extrem fettnäpfchenverdächtige Mission.
Doch diesen Gefallen tut Niebel seinen Kritikern nicht. Auf seiner einwöchigen Afrikareise agiert er vorsichtig und lobt die geleistete Arbeit vor Ort. Der Heidelberger schaut aber auch genau hin und scheut sich nicht, Konflikte anzusprechen. Bei den Hilfsorganisationen kommt schnell an, dass Niebel zuhört und wirklich dazulernen will. "Er zeigt sich lernbereit und tritt seinen Gastgebern mit Respekt gegenüber", lobt Ulrich Post, Vorsitzender des Verbands Entwicklungspolitik, der mehr als 100 private und kirchliche Organisationen vertritt.
Lernen kann Niebel bei seiner ersten Reise eine Menge. Mit Ruanda, der Demokratischen Republik Kongo und Mosambik hat er sich drei sehr unterschiedliche Länder in der Region südlich der Sahara ausgesucht. Während Mosambik trotz anhaltender Armut als vielversprechendes Musterland in Afrika gilt, und sich auch Ruanda 15 Jahre nach dem Bürgerkrieg zwischen Hutu und Tutsi wieder aufrappelt, steht der Kongo für Entwicklungszusammenarbeit unter schwierigsten Bedingungen.
Die Hilfe à la Niebel: "Jeder private Euro spart Steuergelder"
Den komplexen Konstellationen in den Ländern versucht Niebel durch bewährte Instrumente mit liberalem Anstrich beizukommen. Wichtig ist ihm die Stärkung der Zivilgesellschaft. Er plädiert für ein größeres Engagement der Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und politischen Stiftungen, wobei er sich auch über Projekte der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung freuen würde.
Niebels Allheilmittel lautet Hilfe zur Selbsthilfe. Umso besser, wenn auch der deutsche Mittelstand von der Entwicklungszusammenarbeit profitiert, denn: "Jeder private Euro, der von deutschen Unternehmen vor Ort investiert wird, spart Steuergelder", wiederholt der ehemalige FDP-Generalsekretär gern. Flexibel und gut steuerbar muss die Hilfe à la Niebel sein. Vor allem aber sollte man die deutsche Entwicklungsarbeit auch erkennen - wo Deutschland drin ist, muss auch Deutschland drauf stehen, lautet sein Bekenntnis zur Renationalisierung.
"Herr Niebel schlüpt noch aus der Larve des Generalsekretärs"
Zu einer Revolution wird es damit im Entwicklungsressort nicht kommen. Auch an den besichtigten Projekten in Ruanda, dem Ost-Kongo und Mosambik will Niebel vorerst nichts ändern. Die liefen insgesamt gut, bilanziert er.
Nachdem der große Blonde nun seine Lernbereitschaft unter Beweis gestellt hat, muss er sich künftig an der Umsetzung seiner Ziele messen lassen. Die Metamorphose von der hemdsärmeligen Generalsekretär-Rolle zum profilierten Minister steht ihm noch bevor. "Im Moment ist Herr Niebel noch dabei, aus der Larve des Generalsekretärs zu schlüpfen", kommentiert die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Ute Koczy spitz. Offensichtlich brauche er noch Zeit zu erkennen, dass die (afrikanischen) Realitäten nicht immer mit dem FDP-Parteiprogramm kompatibel seien.