Overbeck distanzierte sich am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk deutlich und mit zum Teil harschen Formulierungen von der Kritik der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischöfin Margot Käßmann, am Bundeswehreinsatz am Hindukusch. Kirchliche Interventionen hätten dort ihre Grenzen, "wo es um konkrete Handlungsanweisungen geht", unterstrich der Essener Bischof. Er halte es für klug, "nicht genau darauf zu antworten", welche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten, um Frieden in Afghanistan zu schaffen.
Die heftigen Reaktionen auf Käßmann führt Overbeck auf die "Formulierung des konkreten Ziels" zurück, das sie benannt habe, sowie auf die Zuspitzung der Lage in Afghanistan in den vergangenen Wochen. Die EKD-Ratschefin hatte sich in ihrer Neujahrspredigt in der Dresdener Frauenkirche für mehr zivile Hilfe in dem kriegsgeschüttelten Land ausgesprochen und Alternativen für den massiven Militäreinsatz der internationalen Gemeinschaft angemahnt. Käßmann sprach sich allerdings mit keinem Wort für einen sofortigen Abzug der 4.500 in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten aus.
Alles für den Frieden tun
Overbeck verwies auf unterschiedliche Akzentsetzungen in der Friedensethik der evangelischen und der katholischen Kirche, die sich in den vergangenen Jahren ergeben hätten. Beide Kirchen seien zunächst an die Maxime gebunden, alles zu tun, um Frieden zu schaffen. Allerdings gebe es Unterschiede in der Bewertung einzelner Vorgänge und der damit verbundenen politischen Maßnahmen. Mit Blick auf die friedensethische Position der EKD sprach er von "radikalen Schlussfolgerungen". Auf Nachfrage betonte er, es gehe darum, "nicht so zugespitzt zu formulieren, wie es geschehen ist".
Auf konkrete Aussagen Käßmanns in der kritisierten Predigt angesprochen, unterstrich der im Dezember in sein neues Amt eingeführte Ruhrbischof, dass Krieg nicht gerechtfertigt werden könne, sei eine "Position, die wir alle teilen". Allerdings müsse dies nach den jeweils obwaltenden Umständen entschieden werden; dies sei Aufgabe von Politikern und Militärs, nicht der Kirchen. Auch der Satz "Frieden schaffen ohne Waffen" müsse sich in der Wirklichkeit bewähren, hob Overbeck hervor. Auch dass in Afghanistan "nichts gut" sei, gelte nicht pauschal.
"Kein Aufbau ohne militärischen Schutz"
Der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK), Alois Glück, sagte im Deutschlandradio Kultur, die Position der Katholiken sei nicht weniger klar als die der evangelischen Kirche. Die Aufbauarbeit in der Krisenregion sei ohne militärischen Schutz nicht möglich. Mit Hinweis auf Käßmannns Äußerungen Käßmanns sagte der CSU-Politiker, er halte es für dumm, wenn die Kirchen sich in einen Wettlauf um Schlagzeilen begäben. "In dem Zusammenhang muss die Politik entscheiden, nicht die Kirchen, wie und mit welcher Perspektive die Entwicklung der nächsten Jahre sein kann, welches Ausstiegsszenario insgesamt politisch entschieden wird und in welchem Zeitraum man dieses anstrebt."
Die katholische Kirche hatte bisher zu der Auseinandersetzung zwischen der EKD und Teilen der Politik über die Afghanistanfrage geschwiegen. Käßmanns Stellvertreter im EKD-Vorsitz, der rheinische Präses Nikolaus Schneider hatte jüngst seine Hoffnung auf katholische Unterstützung bekundet. "Es wäre schön, wenn in den aktuellen Debatten über die Positionen von Frau Käßmann ein solidarisches Wort zu hören wäre", sagte er. "Das kann man aber nicht fordern."
Die Passage aus der Dresdener Neujahrspredigt von Bischöfin Käßmann im Wortlaut:
"Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. (...) Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen. Manche finden das naiv. Ein Bundeswehroffizier schrieb mir, etwas zynisch, ich meinte wohl, ich könnte mit weiblichem Charme Taliban vom Frieden überzeugen. Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen. Das kann manchmal mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen."