In "Herbstgeschichte", einem seiner letzten Filme, der 1999 in die Kinos kam, ging es nur vordergründig um die Jahreszeit, die die ersten kühlen Nächte bringt. Es war vor allem auch das Lebensalter, das Rohmer interessierte, Menschen zwischen 40 und 50, im Herbst ihres Lebens. In "Herbstgeschichte" erzählt Rohmer von einer Winzerin, verwitwet, deren beste Freundin sie verkuppeln will und damit einen Reigen der Gefühlsverwirrungen, absurden Situationen und Intrigen auslöst. Aber nie artet es bei Rohmer in platte Komik aus, wenn Mittvierziger sich aufführen, als wären sie 20.
Rohmer, am 21. März 1920 unter dem bürgerlichen Namen Jean-Maurice Schérer geboren, machte Filme voller Beiläufigkeit und Alltäglichkeit, auch wenn sein Thema immer schlicht und ergreifend die Liebe ist. Seine Filme sind streng komponiert, verzichten auf kameratechnische Mätzchen und lassen stattdessen die Darsteller zu Wort kommen. Rohmers Filme leben vom Dialog, auch wenn sich hinter den Worten oft mehr versteckt als zuerst scheint. Es sind Versuchsanordnungen, die mit ihren Personengeflechten um Wahrheit und Lüge, um Betrug und Selbstbetrug kreisen - und um die Moral.
Vergleiche mit Balzac
Man hat Rohmer mit Balzac verglichen, und wenn sein Werk auch nicht so umfangreich ist wie das des Romanciers, so ist es doch in der neueren Filmgeschichte ebenso einzigartig. Rohmer selbst hat seine Geschichten in Zyklen gegliedert. Bekannt wurde er durch die sechs Filme umfassenden "Moralischen Erzählungen", zu denen auch "Die Sammlerin" (1966), "Meine Nacht bei Maud" (1968) und "Claires Knie"
(1970) gehören. 1980 begann er mit "Die Frau des Fliegers" seinen zweiten Filmzyklus, den er "Komödien und Sprichwörter" nannte. Die "Herbstgeschichte" wiederum schloss seinen Zyklus der "Jahreszeiten" ab. In ihm realisierte er auch seinen nach eigener Aussage persönlichsten Film, "Sommer" (1996). Dieser Film ist eine erfrischende Geschichte über das Wirrwarr der Gefühle, das ein Mathematikstudent an der bretonischen Küste mit drei Frauen erlebt. "Sommer" hat Rohmer, wie so oft, mit jungen, unerfahrenen Darstellern in Szene gesetzt.
Seine Filme wirken wie improvisiert, obwohl sie es nicht sind, sie fangen die Atmosphäre eines Raumes ein oder den Zauber einer Landschaft. Herausgehen auf die Straße und Filme machen, das war einmal das Credo der Regisseure der Nouvelle Vague, in deren Umkreis Rohmer zu arbeiten begann. Der studierte Altphilologe ehörte mit Francois Truffaut, Jean-Luc Godard und Jacques Rivette zu den Regisseuren, die quasi vom Schreiben zum Filmen kamen, die aus der Ablehnung des konventionellen französischen Films den "Film der Autoren" proklamierten. Aber wie kein anderer seiner ehemaligen Kollegen, die Ende der fünfziger Jahre zu ilmen begannen, hat Rohmer ein ganz eigenes, unverwechselbares Werk geschaffen.
1959 entstand Rohmers erster Spielfilm "Im Zeichen des Löwen", den Claude Chabrol mit dem Geld von Rohmers Freunden produzierte. Mit "Les amours d’Astrée et de Céladon", eine Pastorale nach einem chäferroman aus dem 17. Jahrhundert, wurde er 2007 zum Filmfestival nach Venedig eingeladen. Es sollte sein letzter Film bleiben.
epd