Käßmann will Truppen in Afghanistan besuchen
Nach ihrem Treffen mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) setzt Bischöfin Margot Käßmann auf einen kritischen Dialog von Kirche und Staat zum Thema Afghanistan. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kündigte einen Besuch in dem krisengeschüttelten Land an. Zuvor hatte sie das deutsche Engagement in Afghanistan kritisiert.

Aus Sicht der Kirche müsse über eine "klare Abzugsstrategie" gesprochen werden, sagte Käßmann nach der Begegnung mit zu Guttenberg am Montag in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Minister habe deutlich gemacht, dass er über diese Fragen nachdenke. Er sei ihr auch "als katholischer Christ" begegnet, der die friedensethischen Positionen der Kirchen und seine eigene Verantwortung ernst nehme. Käßmann kündigte an, sie werde die deutschen Truppen in Afghanistan besuchen und dort einen Gottesdienst halten.

Auslöser für das Treffen waren Käßmanns kritische Äußerungen über den Afghanistan-Einsatz zum Jahreswechsel gewesen, die ihr teils scharfe Kritik aus der Politik eingetragen hatten. An dem Treffen nahmen auch der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann und der Bevollmächtigte der EKD bei Regierung und Parlament in Berlin, Prälat Bernhard Felmberg, teil. Nach der Begegnung veröffentlichte die Kirche eine Stellungnahme.

4.300 deutsche Soldaten stationiert

Sie habe im persönlichen Gespräch die Sorge der evangelischen Kirche darstellen können, dass das Verhältnis von militärischem und zivilem Einsatz nicht mehr stimme, wenn vor allem über Truppenaufstockungen diskutiert werde, sagte Käßmann. Dies gelte auch für die Afghanistankonferenz Ende Januar in London. In Afghanistan sind derzeit rund 4.300 Bundeswehr-Soldaten stationiert. Die USA fordern eine Erhöhung der Truppenstärke.

Die Frage des Afghanistan-Einsatzes "wird nicht schnell gelöst werden", sagte die Bischöfin. Es sei wichtig, dass die Stimme der Kirche in der Debatte gehört werde, die nun endlich begonnen habe. Zu lange sei über die Ziele des Einsatzes geschwiegen worden. Die Kirche müsse aber auch hören, "was ein Minister und andere aus der Bundeswehr zu ihrer Einschätzung zu sagen haben: Das ist dann ein kritischer, demokratischer Dialog zwischen Kirche und Staat".

Harmonische Atmosphäre

Militärbischof Dutzmann sagte im NDR-Hörfunk, man sei sich einig, "dass es einen Nachbesserungsbedarf in der Afghanistanpolitik gibt" und das zivile Engagement verstärkt werden müsse: "Ich hatte das, ehrlich gesagt, auch nicht anders erwartet." Zum Thema Militäreinsatz habe zu Guttenberg dargelegt, was die Bundeswehr momentan dort leiste, "insbesondere auch bei der Herstellung von Sicherheit".

Bischöfin Käßmann habe dies sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen, sagte Dutzmann. Die Gesprächspartner seien sich einig gewesen, dass der Dialog weitergeführt werden müsse. Die EKD sprach von einem Treffen in "konstruktiver und harmonischer Atmosphäre". Ein Sprecher Guttenbergs sagte, der Minister sehe das Gespräch als Teil der notwendigen gesellschaftlichen Debatte um den Einsatz. Es diene auch dem persönlichen Kennenlernen. Käßmann habe die Diskussion um den Afghanistaneinsatz "befruchtet", so der Sprecher.

Hoffnung auf katholische Kirche

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, hofft in der Afghanistan-Debatte auf Unterstützung der katholischen Kirche. "Es wäre schön, wenn in den aktuellen Debatten über die Positionen von Frau Käßmann ein solidarisches Wort zu hören wäre", sagte Schneider, der auch stellvertretender EKD-Ratsvorsitzender ist, vor Journalisten in Bad Neuenahr. "Das kann man aber nicht fordern."

Anders als Käßmann bewertete Schneider die Rolle von Verteidigungsminister zu Guttenberg als "juristische Rumeierei". Guttenberg habe seine Position noch nicht gefunden, meinte der Repräsentant der 2,8 Millionen rheinischen Protestanten. Schneider forderte ein "realistisches Ausstiegsszenario" für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan.

"Keine Allmacht der Gewaltlosigkeit"

Der evangelische Theologe Richard Schröder und DDR-Bürgerrechtler sagte der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe), das Gespräch mit zu Guttenberg habe Käßmann zeigen können, "dass der Verteidigungsminister sich einen Teil ihrer Gedanken auch schon gemacht hat". Der Glaube an die Allmacht der Gewaltlosigkeit sei "ein Aberglaube", fügte Schröder hinzu. Wenn etwa wie 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking die Panzer rollten, dann führe Gewaltfreiheit zwangsläufig zum Selbstopfer.

Käßmann traf sich am Montag auch mit dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion und früheren Bundesaußenminister, Frank-Walter Steinmeier, mit dem sie ebenfalls über den Afghanistan-Einsatz sprach.

epd