Die freundliche Aufnahme war keine Selbstverständlichkeit: Immer noch müssen Schwule in Saudi-Arabien mit der Todesstrafe rechnen, auch wenn es deshalb schon seit Jahren keine Hinrichtungen mehr gegeben hat. Amnesty International berichtete erst kürzlich wieder davon, dass zwei homosexuelle Saudis zu je 7.000 Peitschenhieben verurteilt wurden. Auch die Sprache verrät schon viel: Das arabische Wort "schas" kann nicht nur "schwul" heißen, sondern auch "andersartig", "unnatürlich" und "pervers".
Auch Westerwelle war sich darüber im Klaren, dass der Aufenthalt im sittenstrengen islamischen Königreich für ihn persönlich heikel werden könnte. Zumal der FDP-Chef noch zu Oppositionszeiten angekündigt hatte, bei einem Wahlerfolg die Ächtung und Verfolgung von Homosexuellen auch über Deutschlands Grenzen hinaus anzuprangern. Noch im Mai 2009 brachte er zusammen mit seiner Fraktion einen entsprechenden Antrag in den Bundestag ein.
Diplomatisch klug aus der Affäre gezogen
Dem "Stern" sagte er damals als Oppositionspolitiker: "Ich bin zum Beispiel dagegen, dass Länder Entwicklungshilfe vom deutschen Steuerzahler bekommen, die Frauen nur als Menschen zweiter Klasse behandeln und systematisch misshandeln oder wo Männer und Frauen hingerichtet werden, nur weil sie homosexuell sind."
Von solchen Worten konnte in Saudi-Arabien - mit seinen gigantischen Ölreserven eines der reichsten Länder der Welt - keine Rede sein. Westerwelle zog sich diplomatisch klug aus der Affäre. Wenn er offen für mehr Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben geworben hätte, hätte es mit ziemlicher Sicherheit einen Eklat gegeben. Einfach schweigen ging aber ebenfalls nicht.
Also bettete er das Thema beim offiziellen Pressetermin mit dem Ministerkollegen Prinz Saud al-Faisal in eine Bemerkung über die Menschenrechte allgemein ein. "Es gibt selbstverständlich auch Meinungsunterschiede zwischen uns. Wir haben ausführlich über die Menschenrechte gesprochen, bis hin zu der Frage der religiösen Pluralität." Und er fügte hinzu: "Wir sind der Meinung, dass die Todesstrafe überall abgeschafft werden soll."
Offen angesprochen wurde das Thema nie
Jedem, der Bescheid weiß, war klar, was damit auch gemeint war. Prinz Saud - mit 35 Dienstjahren als Außenminister der weltoffenste Scheich - entgegnete nur, dass es "unterschiedliche Wertesysteme" gebe. Dann ging es wieder um wichtigere Fragen wie Nahost, den Atomkonflikt mit dem Iran und die Entwicklung im Jemen, um den sich der Rest der Welt immer größere Sorgen macht: Zum Ende seiner Sechs-Tage-Reise wird Westerwelle an diesem Montag wohl auch ins ärmste Land der arabischen Halbinsel reisen.
Bei den reichen Scheichs wurde er aber nicht nur vom Kollegen und vom König, sondern auch von konservativen Mitgliedern des Königshauses mit orientalischer Gastfreundlichkeit empfangen. Selbst der ebenso sittenstrenge wie einflussreiche Gouverneur von Riad, Prinz Salman bin Abdulasis, ging herzlich mit ihm um. Vielleicht mag auch die Neugier ein wenig größer gewesen sein als sonst.
Offen angesprochen wurde das Thema Homosexualität allerdings während des ganzen Tages nie - nach Auskunft aus dem Auswärtigen Amt nicht einmal hinter verschlossenen Türen. Und auch am Abend nicht, als das saudische Staatsfernsehen über den Besuch berichtete. Ein Außenminister, der mit einem Mann zusammenlebt und daraus kein Geheimnis macht? Davon wissen - mit Ausnahme der Scheichs - die 28 Millionen Menschen in Saudi-Arabien bis heute nichts.