Bei der Eröffnung zeigte sich Essen ungerührt von großen Namen und von der drohenden Schneewalze des Tiefs "Daisy" - eben "wetterfest", "schlicht" und "stur", wie es der im Ruhrgebiet aufgewachsene Pop-Sänger Herbert Grönemeyer in seiner für die Eröffnung komponierten "Ruhr-Hymne" beschrieb.
Trotz tagelanger Spekulationen über eine mögliche Absage wegen des Schneeeinbruchs und vor allem des scharfen Nordostwindes ließ sich 2010-Chef Fritz Pleitgen nicht beirren. "Das wird durchgezogen, wir zittern für eine gute Sache", sagte er. Der Mut wurde am Samstag durch ein einmaliges Ambiente belohnt. Die Bühne direkt neben der stillgelegten Kokerei bot genau den Kontrast, den Pleitgen sich erhofft hatte: Vor den Überbleibseln der harten Industriearbeit des "alten" Ruhrgebiets präsentierten Schauspieler Tänzer, Rapper und Bochumer Symphoniker die Kultur, die dem Revier den Weg in die Zukunft erleichtern soll.
Rrrrrrrruhrgebiet
Dass es dabei fast die ganze Veranstaltung über feinen Pulverschnee schneite, gab der Feier etwas heiter-ungezwungenes. "Hier bin ich, kommen Sie", rief Pleitgen, als Köhler beim Hereinkommen sein Platz nicht sofort fand. Der Bundespräsident schwenkte gut gelaunt seinen Hut und rief in Richtung Tribünen: "Es könnte gar nicht besser sein." Heiterkeit löste auch José Barroso aus, der die Ruhrgebietler ironisch daran erinnerte, "dass hier auch Fußball gespielt wird" - nicht so erfolgreich wie in Spanien, meinte er wohl. Barroso sprach auf Deutsch und rollte das "R" von Ruhrgebiet, wie es wohl nur ein Spanier kann.
Die Zuschauer hatten die schwierige Disziplin zu bewältigen, sich erst über ihre ohnehin dicken Jacken in die graue Decke aus dem "Überlebenspaket" des Veranstalters zu wickeln und dann über alle Schichten noch in ein Regencape zu schlüpfen. Applaudieren erwies sich als problematisch, weil alle dicke Handschuhe anhatten. Deshalb empfahl Pleitgen in der Anwärmphase vor der TV-Übertragung kräftiges Trampeln auf dem Holzboden der Tribüne.
Rasante Gala trotz aller Probleme
Es war eine rasante Eröffnungsgala, die einiges von der kulturellen Kraft der Region mit über 200 Museen und einer Fülle von Musik- und Sprechtheatern zeigte. Wenn in der Show alte Bilder des Zechensterbens seit den 50er Jahren und Demonstrationsplakate mit der Aufschrift "Arbeitslosigkeit, wir kommen" zu sehen waren, schienen trotz der Feierlaune aber die Probleme der Region durch: An die 30 der 53 Kulturhauptstadt-Kommunen sind wegen Überschuldung im Nothaushalt, das Land musste eigens ein 10-Millionen-Sonderprogramm für die Städte auflegen, sonst hätten viele sich an ihrem eigenen Fest gar nicht beteiligen können.
Direkt nach der Abfahrt der Prominenz öffnete Zeche Zollverein die Tore für kostenlose Musik, Kabarett, Kunst und Theater für alle - Zehntausende werden bis zum Sonntagabend erwartet. "Wir wollen eine Kulturhauptstadt zum Mitmachen", sagte Pleitgen.