Bundeswehr, Bischöfe, Bohlen: Drei Fragen an Ernst Elitz (4)
Pointierte Anmerkungen zu Politik und Zeitgeschehen: Als erfahrener Journalist ist Ernst Elitz gewohnt, den Mächtigen kritisch auf die Finger zu schauen, verschleiernde Worthülsen zu knacken und das Zeitgeschehen bisweilen bissig zu kommentieren - wobei er übrigens das Neue Testament als ein Vorbild sieht: Beispielhaft in seiner klaren und pointierten Aussprache sei es, ein guter Lebensentwurf für Ehrlichkeit, Aufklärung und Menschenwürde. Jeden Freitag beantwortet Ernst Elitz drei Fragen für evangelisch.de.
08.01.2010
Die Fragen stellte Ulrich Pontes

evangelisch.de: Eine Bischöfin macht sich für den Frieden in Afghanistan stark - und quer durch die politische Landschaft hagelt es erbitterte Kritik. Was ist da passiert? Warum gibt es so viel Aufregung um Margot Käßmanns Äußerungen, obwohl sie doch vielen Menschen - vermutlich nicht nur evangelischen Christen - aus dem Herzen gesprochen und auch keine platte, überzogene Forderung erhoben hat?

Ernst Elitz: Mit Widerspruch wird die Bischöfin gerechnet haben. Sie hat ihn provoziert, und das kann einer offenen Auseinandersetzung nur dienlich sein. Ihre Titelzeilen-verdächtige Formulierung "Nichts ist gut in Afghanistan" musste eine Herausforderung sein für die Bundeswehr, für die Parteien, die den Bundeswehreinsatz beschlossen haben und für Bürger, die um eine Antwort auf die Frage ringen, wie anders als mit militärischen Mitteln lässt sich die permanente Verletzung der Menschenwürde von afghanischen Frauen und Männern eindämmen, die nach unseren christlich geprägten Vorstellungen frei leben, lernen, entscheiden und beten wollen? Wie anders als mit militärischen Mitteln lässt sich die Ausbildung einer einheimischen Polizei und die Arbeit der Hilfskräfte absichern? Ich weiß, viele der Nichtregierungsorganisationen wollen kein Militär in ihrer Umgebung. Ich kenne diese Diskussion aus meiner Arbeit im Kuratorium der Welthungerhilfe. Aber ich bin mir sicher, ohne diesen von der UNO getragenen Militäreinsatz wäre kein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation mehr in Afghanistan. Eine praxisbewährte theologische Antwort auf die Frage, wie man mit Terroristen umgeht und das eigene wie das Leben anderer wirksam vor ihnen schützt, kenne ich nicht. Meine Empfehlung: Bischöfin Käßmann tauscht sich darüber mit christlichen Soldaten und afghanischen Bürgern aus. Auch diese Gespräche wären eine gute Grundlage für eine Bischofs-Predigt.

evangelisch.de: Beworben vom über den Wolken thronenden Casting-Gott Dieter Bohlen ist "Deutschland sucht den Superstar" in eine neue Runde gestartet, in wenigen Tagen geht "Big Brother" mit einer neuen Staffel auf Sendung. Wird denn die Fernsehunterhaltung nicht nur immer niveauloser, sondern nun auch noch eintönig-langweilig? Welche Erwartungen haben Sie fürs Fernseh-Jahr 2010?

Elitz: Da ich mir nur anschaue, was mich interessiert, werde ich wieder viele fernsehfreie Abende habe. Darauf freue ich mich. Ich halte Nicht-Fernsehen weder für gesundheitsschädlich, noch für geisttötend. Im Gegenteil. Und wenn sich ein volljähriger Mitbürger dem Superstar-Wettbewerb stellt, ist mir das lieber, als wenn er zuhause auf dem Sofa herumhängt oder sich zum Komasaufen verabredet. Als ich durch Zufall in eine Folge des Dschungelcamps geriet, war ich überrascht, wie die 77-jährige Ingrid van Bergen in dieser Umgebung ihre Würde bewahrt hat. Selbst an solchen Fernsehabenden macht man Entdeckungen, mit denen man nicht gerechnet hat.

evangelisch.de: Nach dem Anschlagsversuch in den USA werden neue Sicherheitsvorkehrungen im Flugverkehr rauf- und runterdiskutiert, vor allem Körperscanner. Sie selbst sind viel unterwegs, Herr Elitz: Hätten Sie ein Problem, sich bis auf die Haut durchleuchten zu lassen, oder würden Sie diese zusätzliche Maßnahme begrüßen?

Elitz: Mir ist das lieber, als wenn mir wildfremde Menschen in den Schritt fassen. So ist es doch heute. Ich fürchte nur, wir lassen uns da etwas aufreden, was Abermillionen kostet und nachher doch nicht funktioniert. Und selbst wenn die Technik pannenfrei läuft, lässt sich menschliches Versagen nicht ausschließen. Die amerikanischen Sicherheitsbehörden hatten auch eine Fülle von Informationen und haben trotzdem geschlampt. Und wenn der Mann am Scanner einen Moment abgelenkt ist, übersieht er den Sprengstoff am Körper. Ein Patentrezept gegen den Terror gibt es leider nicht.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.