Erstmals soll dieses Telefon komplett unter Google-Regie entstanden sein – der koreanische Hardware-Bauer HTC übernimmt lediglich die Herstellung. Das war bei den Vorgängern G1 und G2 noch anders. "Nexus One" heißt das neue Smartphone, das zunächst ausschließlich in den USA, in Großbritannien, Singapur und Hong Kong zu haben sein wird. 529 Dollar soll es ohne, 179 Dollar mit Vertrag kosten. Soweit die Fakten. Was aber steckt dahinter? Warum betritt eine Firma wie Google den Hardware-Markt?
Das bessere iPhone?
Ganz genau wissen wir das natürlich nicht. Aber man darf sich ja seine Gedanken machen. Vermutlich wird das neue Smartphone keine echte Handy-Revolution auslösen wie einst Apples iPhone. Grund: Das Nexus One ist eigentlich eine iPhone-Kopie. Sowohl äußerlich als auch von der Bedienung erinnert es so stark ans iPhone, dass weniger Technik affine Menschen es vermutlich für ein iPhone halten werden. Es lässt sich wie das iPhone mit einem Finger über seinen berührungsempfindlichen Bildschirm bedienen und auch optisch erinnert die Benutzeroberfläche ans iPhone. Einziges Manko: Noch lässt sich das "Nexus One" nicht – wie das iPhone – über Gesten mit mehreren Fingern bedienen. Aber: Insgesamt hat das "Nexus One" bessere technische Daten als das aktuelle iPhone 3GS. Seine Kamera schafft eine höhere Auflösung und hat einen Blitz, der eingebaute Prozessor ist schneller, sein Speicher lässt sich über SD-Speicherkarten erweitern, seine Sprachsteuerung lässt sich auch zum Diktieren eines Textes nutzen. Gut möglich, dass diese Daten für so manche Interessenten ausreichen, um statt eines iPhone ein Google-Handy zu kaufen.
Auf den zweiten Blick
Genau diese Menschen sollten aber besser zwei Mal hinschauen. Denn schon den Namen "Nexus" könnte man als Hinweis darauf sehen, worauf es Google tatsächlich ankommt. "Nexus" ist lateinisch und bedeutet so viel wie Verknüpfung, Verschlingung, Verbindung oder Verwicklung. Und genau das ist des Handys Kern. Denn natürlich will Google kein Hardware-Verkäufer werden. Aber: Der Datenriese aus den USA weiß natürlich am besten, wohin sich der Online-Markt zurzeit bewegt: Aufs Handy. Immer mehr Internet-Zugriffe erfolgen von mobilen Geräten aus – Apple hat hier mit dem iPhone einen gewaltigen Stein ins Rollen gebracht. Und wenn immer mehr Menschen ein Smartphone von Apple, LG, HTC, Sony Ericsson oder RiM (Blackberry) nutzen, dann verliert das Unternehmen Google allmählich die Kontrolle, die Verbindung, Verknüpfung, Verschlingung mit den Nutzern, die ja seine Geschäftsgrundlage ist.
Datenkrake Google
Aber Google braucht all diese Daten von uns, um existieren zu können. Im Klartext: Google will, dass wir nicht nur am Desktop-Computer sondern auch mobil möglichst viel über seine Server abwickeln. Wir wollen Suchanfragen stellen, wir sollen Mails schreiben, unsere Dokumente auf Google-Servern speichern, unsere GPS-Position an Google zurückmelden, telefonieren und vieles mehr. All diese Daten sammelt Google, wertet sie aus und nutzt sie. Theoretisch lässt sich daraus ein ziemlich exaktes Persönlichkeitsprofil anfertigen, nach dem sich werbetreibende Unternehmen alle Finger lecken dürften. Experten sind sich ziemlich sicher, dass das bereits geschieht – das mit dem Profil und auch das mit den Fingern. Damit das Datensammeln aber möglich ist, sollen wir auch mit unseren Smartphones möglichst viele Google-Dienste nutzen. Und wie stellt Google sicher, dass das auch möglichst viele Smartphone-Nutzer tun? Genau: Am sichersten funktioniert das, indem das Unternehmen auch die Entwicklung von Hardware und Betriebssystem des Smartphones kontrolliert.
Erst Google, bald Apple?
Um ein iPhone zu nutzen, kommt man auch ohne Google aus. Man kann mit einem iPhone jeden beliebigen E-Mail-Provider nutzen, man kann eine alternative Suchmaschine einstellen. Nur bei der Bestimmung der Positionsdaten und der Nutzung von Landkarten gibt es auf dem iPhone zurzeit noch keine andere Anwendung als die von Google. Experten gehen aber davon aus, dass Apple schon bald auch hier eine eigene Alternative anbieten wird. Taucht damit am Horizont ein neuer Datensammler auf? Apple besitzt mit "mobile me" einen Dienst, mit dem man seine E-Mails versenden und empfangen, seine Daten speichern und sein iPhone orten kann. Über seinen "iTunes Store" weiss Apple ziemlich genau, für welche Musik, Filme, Spiele und TV-Sendungen sich die Nutzer interessieren, weil man sie als iPhone-Nutzer dort kauft. Und gerade eben hat Apple mit Quattro Wireless eine Firma für mobile Werbung aufgekauft. Zufall? Das Datensammeln in großem Stil scheint immer mehr in Mode zu kommen.
Über den Autor:
Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.