EKD-Ratsvorsitzende bekräftigt ihre Position zu Afghanistan
"Ich bleibe dabei: Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen": Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat ihren umstrittenen Standpunkt bekräftigt.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) forderte damit beim Epiphanias-Empfang im Kloster Loccum erneut, dem Afghanistan-Konflikt vorrangig mit zivilen Mitteln zu begegnen. Sie wiederholte auch einen weiteren Satz ihrer Neujahrspredigt, die in den vergangenen Tagen heftige Reaktionen ausgelöst hatte: "Wer - beim besten Willen - möchte dem Satz widersprechen, dass in Afghanistan nichts gut ist."

"Sorge um unsere Soldatinnen und Soldaten"

Käßmann betonte, sie habe Hochachtung vor allen Politikern, die Entscheidungen über die Präsenz der Bundeswehr in dem Land treffen müssten. Viele seien überzeugt gewesen, dass die durch UN und Bundestag eingeschlagenen Strategien helfen könnten, in der Region Frieden zu bringen. Die Entsendung der Truppen, die auch mit militärischen Mitteln versuchten, Frieden zu schaffen, sei als "ultima ratio" notwendig gewesen. Doch dürfe das letzte Mittel des militärischen Einsatzes nicht zum Normalfall werden, auch um der Soldaten willen, die ihr Leben riskierten.

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"Es ist doch auch die Sorge um unsere Soldatinnen und Soldaten, die mich fragen lässt, ob wir nicht eine klare Exit-Strategie brauchen", sagte die Bischöfin. Wer das nicht verstehe, wolle sie gezielt missverstehen. Sie wisse aus persönlichen Begegnungen, welche traumatischen Erfahrungen viele der jungen Frauen und Männer bei ihrem Einsatz machten.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte, Käßmann führe eine wichtige Diskussion. Nach seinem Verständnis habe die Bischöfin mit ihrer Neujahrspredigt weder infrage gestellt, dass die Bundeswehr ihren Einsatz in Afghanistan im Auftrag der Vereinten Nationen leiste, noch dass dieser Einsatz durch den Bundestag legitimiert sei.

Wulff unterstrich, die Bischöfin weise zu recht darauf hin, dass Fragen zum Afghanistan-Einsatz im Sinne der Menschen in dem Land diskutiert und stets neu beantwortet werden müssten. Als Ratsvorsitzende der EKD stelle sie dabei die Sicherung des Friedens ohne bewaffnete Auseinandersetzung in den Vordergrund: "Das ist im Kern die biblische Botschaft." Der Deutsche Bundestag habe sich bei einer sehr schwierigen Abwägung zu einem bewaffneten Kampf gegen diejenigen entschieden, "die die Menschenrechte mit Füßen treten und die Welt mit Terror bedrohen". Diese Entscheidung, die sich niemand leichtgemacht habe, sei richtig gewesen.

"Mahnung zum Frieden gehört zum bischöflichen Amt"

Käßmann sagte: "Die Anfrage der letzten Tage befremden mich, weil sie eine klare politische Kultur infrage stellen, in der es möglich ist, in Freiheit Fragen zu stellen - auch als Frau der Kirche." Gleichzeitig habe sie viel Unterstützung erfahren. Offenbar sei es notwendig, dass die Gesellschaft diese Debatte führe. "Ich denke, eine Mahnung zum Frieden gehört genuin zum bischöflichen Amt."

In ihrer Neujahrspredigt in der Dresdner Frauenkirche hatte Käßmann gesagt, in Afghanistan schafften Waffen "offensichtlich auch keinen Frieden". Dies war als Forderung nach einem schnellen Abzug der Bundeswehr verstanden worden. Bei Regierung und Opposition gab es zum Teil scharfen Widerspruch. Käßmann erklärte daraufhin, sie habe nie den sofortigen Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan verlangt.

"Mindestens auch 30.000 weitere Entwicklungshelfer"

Die Ratsvorsitzende verlangte, noch mehr Geld und Personal in die Entwicklungshilfe und den zivilen Aufbau zu investieren. Diese Forderung vertrete sie genauso nachdrücklich wie die Einsicht in die Notwendigkeit von Soldaten unter UN-Mandat in dem Land: "Also nicht nur 30.000 weitere Soldaten, sondern mindestens auch 30.000 weitere Entwicklungshelfer, Lehrkräfte oder Verwalter." Der Vorrang für zivile Mittel dürfe nicht aus dem Blick geraten.

Die Bischöfin sprach beim traditionellen Epiphanias-Empfang der hannoverschen Landeskirche im 847 Jahre alten Zisterzienserkloster Loccum vor rund 140 Gästen aus Politik und Gesellschaft. Der Empfang jährte sich in diesem Jahr zum 60. Mal. Am 28. Dezember 1950 hatte der ehemalige Abt zu Loccum und Landesbischof Hanns Lilje erstmals eingeladen.

Treffen mit Unionspolitikern

Gestern war bekannt geworden, dass Käßmann und Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) bei einem Treffen am kommenden Montag die Wogen glätten wollen. Auch weitere Unionspolitikersuchen das Gespräch mit Käßmann. Man wolle die Bischöfin möglichst noch im Januar in die außenpolitische Arbeitsgruppe der Unionsfraktion zu einem Meinungsaustausch über die Afghanistan-Politik einladen, sagten der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Philipp Mißfelder (CDU), und der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler dem epd in Berlin am Mittwoch.

Gauweiler sagte vor dem Hintergrund der Debatte, er persönlich sei "froh über die Äußerungen Käßmanns" und halte die teils scharfe Kritik an der Ratsvorsitzenden nicht für angemessen. Käßmann habe "gesagt, was die überwältigende Mehrheit der Bürger und Wähler aller Parteien denkt", so Gauweiler. "Wenn sich die Kirche nicht mehr zu Krieg und Frieden äußern kann, wer dann?" Der CSU-Politiker hatte im Bundestag mehrfach gegen den Afghanistan-Einsatz gestimmt.

epd