Der Winter bombardiert Europa mit Schnee und Sturm
Deutschland droht ein winterliches Unwetter: Tief "Daisy" zieht nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) "vollgepumpt mit Feuchtigkeit" vom Mittelmeer Richtung Polen. In der kalten Luft kann am Freitag im Süden und Osten Deutschlands viel Schnee fallen, wie Meteorologin Dorothea Paetzold am Mittwoch in Offenbach erläuterte. Hinzu komme ein stürmischer Wind, der für Schneeverwehungen sorgen könne. Die "sehr brisante Mischung" bringe am Freitag und Samstag Unwettergefahr. Nach Ansicht von Jörg Kachelmann vom Wetterdienst Meteomedia steckt in der Lage zwar "Potenzial, aber ob ein Drama passiert, ist alles andere als sicher".

Die weiße Pracht begeistert Skifahrer, Spaziergänger und rodelnde Kinder, treibt aber viele Autofahrer im In- und Ausland zur Verzweiflung. Schnee und Glätte führten am Mittwoch wieder zu einem Verkehrschaos. Zahlreiche Schulen und Flughäfen, darunter Bremen und Wien, mussten vorübergehend schließen. In Deutschland sind in diesem Winter nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe bereits mindestens neun Obdachlose erfroren. Rund um die Ägäis genießen die Menschen dagegen einen der wärmsten Winter seit Jahrzehnten: Griechenland meldete bis zu 23 Grad.

Trotz des Kälteeinbruches der vergangenen Wochen ist der Winter bisher aber nicht außergewöhnlich. Die Temperaturen seit Dezember wichen nur 0,4 Grad vom langjährigen Mittel ab, sagte Uwe Kirsche, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes, gegenüber evangelisch.de: "Solche Kälteeinbrüche sind normal, schließlich ist ja Winter." Die milden Winter der letzten Jahre hätten die Deutschen "etwas verwöhnt". "Das ändert aber nichts daran, dass die Temperaturen in den letzten 130 Jahren gestiegen sind", betonte Kirsche mit Blick auf den Klimawandel.

Ein kalter Winter macht noch keinen Trend

Im amerikanischen republikanisch geprägten Fernsehsender "Fox News" sagte eine Moderatorin neulich: "Wie kann das Klima wärmer werden, wenn es in Texas schneit?" Das ist ein klassischer Fehlschluss - Wetter ist nicht gleich Klima. "Wetter ist das, was um uns herum passiert. Klima ist im Grunde Wetterstatistik", erklärt DWD-Sprecher Kirsche. Aus Einzelereignissen wie diesem Winter lassen sich keine Trends ableiten, Klimaforscher beziehen immer mindestens 30 Jahre in ihre Beobachtungen mit ein.

Die globale Erwärmung, die die Statistik der vergangenen 130 Jahre zeige, werde auch für wärmere Winter sorgen - im Mittel, nicht jedes einzelne Jahr. Mehr Regen, weniger Schnee sei die Folge, so Kirsche. Außerdem werde die Zahl der Sommertage (über 25 Grad Celsius) und der Tropentage (über 30 Grad) zunehmen, fasst Kirsche zusammen. "Aber natürlich kann es trotzdem weiterhin Jahre geben, in denen von Dezember bis Februar Schnee liegt." Denn beim Klima geht es immer um Mittelwerte; ein einzelner Winter macht noch keinen Trend, ebenso wie eine Schwalbe keinen Sommer macht. Für alle, die im Schnee feststecken, ist das aber nur ein schwacher Trost, wenn das Tief "Daisy" am Wochenende kommt.

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Die Kälte hat Mitteleuropa im Griff

In Großbritannien, wo derzeit einer der härtesten Winter der vergangenen Jahrzehnte herrscht, behinderten Schneestürme den Flugverkehr. Mehrere Airports - darunter London Gatwick, Bristol und Exeter - mussten zeitweise ihren Betrieb einstellen. Auch in London Heathrow wurden Verspätungen und Ausfälle erwartet. Pkw-Fahrer strandeten auf Autobahnen. Tausende Schulen blieben erneut geschlossen. Die Krankenhäuser bereiteten Notfallpläne vor.

Schnee und Eis machten ebenfalls den Menschen im Westen Frankreichs zu schaffen. Betroffen waren 14 Départements, unter anderem in der Normandie. Nach Angaben des Senders France-Info durften in einigen Regionen weder Lastwagen noch Schulbusse fahren. Die Bretagne ist zudem von Stromausfällen bedroht.

Die Kältefront lässt auch die Italiener bibbern. In Ravenna wurde ein im Schnee steckengebliebenes Auto von einem Zug überrollt. Wie italienische Medien berichteten, blieb ein Ehepaar mit seinem Wagen am späten Dienstagabend bei der Überquerung eines Gleisübergangs im Schnee liegen. Bei Herunterlassen der Schranken sei das Paar aus dem Auto geflüchtet und so heil davon gekommen. Andernorts in Nord- und Mittelitalien führten starke Regenfälle zu Überschwemmungen. Mehrere Häuser in der Provinz von Livorno wurden sicherheitshalber evakuiert.

Katastrophale Lage in Albanien

Sintflutartige Regenfälle gehen seit Tagen auf Albanien nieder. "Das ist eine echte Notlage, eine mögliche Katastrophe", sagte Regierungschef Sali Berisha in Tirana nach einer Sondersitzung seines Kabinetts. Er appellierte an die Einwohner im nördlichen Distrikt von Shkodra, die zum Teil schon drei Tage auf den Dächern ihrer Häuser ausgeharrt hatten, die Krisenregion zu verlassen. Die Armee des Landes werde einen Evakuierungsplan ausarbeiten, kündigte Berisha an. Fast der gesamte Nordwesten Albaniens steht rund 40 Zentimeter unter Wasser. 3.800 Hektar Ackerfläche sind überschwemmt.

Besonders kritisch ist die Lage in der Gemeinde Nendajc, wo 460 Familien ihre Häuser nicht verlassen wollen. Die Behörden hatten die Talsperre Fierza zwischen Albanien und dem Kosovo geöffnet und so für zusätzliche Wassermassen gesorgt. Mit der Öffnung der Schleusen des vom Drin-Fluss gespeisten 70 Kilometer langen und übervollen Stausees sollte der Zusammenbruch der Stromerzeugung verhindert werden.

Boom im Wintertourismus, Energiemangel in China

In Deutschland hat das Winterwetter nicht nur negative Seiten. Bei vielen Hoteliers und Liftbetreibern in Skigebieten klingeln die Kassen. "Wir sind rundherum zufrieden", sagte der Sprecher des Skilift-Verbandes Sauerland, Meinolf Pape, in Winterberg. In Berlin und anderen Städten gibt es in vielen Läden keine Schlitten mehr zu kaufen. Beim Dreikönigsschwimmen stürzten sich 140 Wagemutige - wasserdicht eingepackt in Neoprenanzügen - in den eiskalten Main bei Randersacker in Bayern. Die Wassertemperatur betrug zwei Grad. Bei der traditionellen Bremer Eiswette musste ein Schneider für die Überquerung der Weser auch in diesem Jahr ein Boot benutzen - eine Überquerung zu Fuß war bei dem traditionsreichen Spektakel nicht möglich.

Eisige Kälte lässt in China sogar die Energie knapp werden. In Peking sanken die Temperaturen am Mittwoch auf minus 16,7 Grad, den niedrigsten Wert seit knapp 40 Jahren. In sieben Provinzen musste die Stromversorgung für Industriebetriebe rationiert werden. Das kalte Wetter soll noch zehn Tage anhalten. Der hohe Energieverbrauch strapaziert die Kohlereserven, so dass die Behörden in Zentral- und Ostchina Alarm schlugen. Einige Kraftwerke hätten nur noch Vorräte für drei Tage, meldete die Zeitung "Guangdong Ribao".

han/dpa