Bremer helfen aus dem Dunkel der Nacht bis in die Disko
Egal wie kalt und ungemütlich es draußen ist, eine Gruppe Bremer lässt sich davon nicht abschrecken. Sie streifen nach Einbruch der Dunkelheit als "Nachtwanderer" durch die Straßen und begleiten Jugendliche auf ihren abendlichen Wegen zu und von der Disko. Sie sind einfach da, bieten ihre Hilfe an und hören auch manchmal einfach nur zu.
05.01.2010
Von Irena Güttel

Es ist ein ungemütlicher Samstagabend in Bremen. Seit Stunden regnet es fast ununterbrochen. Dazu weht ein kühler Wind. Doch davon lassen sich die drei Frauen und zwei Männer nicht abschrecken. Sie streifen ihre dunkelblauen Regenjacken über, stecken Taschenlampen und Handys ein und überprüfen den Inhalt eines kleinen Rucksacks mit einer Erste-Hilfe-Ausrüstung. Dann treten sie hinaus in die Dunkelheit. Bis spät in die Nacht werden sie durch die Straßen marschieren, Bushaltestellen abklappern und Plätze aufsuchen, die bei jungen Menschen beliebt sind. Und das freiwillig.

Projekt nach schwedischem Vorbild

"Wir sind auf den Wegen der Jugendlichen unterwegs", sagt Annette Horn. Dadurch wollen die "Nachtwanderer", wie sich die Gruppe nennt, vor allem dafür sorgen, dass die Jugendlichen sicher in die Disco, auf Partys und zu Freunden kommen - und wieder nach Hause. Allein mit ihrer Anwesenheit wollen die Freiwilligen den Teenagern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, sind Ansprechpartner und Kummerkasten für sie und rufen in brenzligen Situationen auch mal die Polizei.

2004 hatte Horn mit einigen anderen Eltern nach schwedischem Vorbild die "Nachtwanderer" in Bremen-Nord gegründet, als bundesweit erstes Projekt dieser Art. Mittlerweile gibt es auch im Bremer Stadtteil Huchting, in Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein solche Gruppen. Im Norden der Hansestadt beteiligen sich 35 bis 40 Ehrenamtliche an der Initiative. Durchschnittlich einmal im Monat schlägt sich jeder von ihnen die Nacht um die Ohren.

Jedes Wochenende patrouilliert eine Gruppe von vier bis sechs "Nachtwanderern" durch den Bezirk. Sie gehen bewusst dorthin, wo es Probleme geben könnte. Ihre Route führt sie an diesem Samstag als erstes zum Busbahnhof, der häufig zum Schauplatz von Gewalt wird. Dort hängen bereits einige Jugendliche gelangweilt herum und warten auf den Bus.

"Die freuen sich, dass jemand zuhört"

Bremen-Nord liegt etwa 20 Kilometer vom Zentrum entfernt. Abends ist hier nicht viel los. Zum Ausgehen gibt es für junge Leute nur einige wenige Kneipen und die Partys der Tanzschule. «Darum sind ja auch so viele auf der Straße», erläutert Kerstin Peters-Bindernagel, die ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern gehört. Im Sommer treffen sich die Jugendlichen am Weserufer, um zu trinken. Aber auch im Winter lassen sie sich oft aus lauter Langeweile in Parks und an Bushaltestellen voll laufen.

Wer mehr erleben will, muss mit dem Bus über die Landesgrenze nach Niedersachsen fahren oder eben in die Innenstadt. Bei den Jüngeren ist vor allem eine Disco in Ihlpohl beliebt - und genau dort wollen auch die "Nachtwanderer" hin. "Der Weg ist nicht besonders gemütlich. Es ist ziemlich dunkel", erklärt Peters-Bindernagel.

Als sie in den Bus steigen, werden sie von einigen Fahrgästen freundlich begrüßt. "Hey, Nachtwanderer", ruft ein junger Mann, der wie seine Freunde ein Bier in der Hand hält. Wegen ihrer dunklen Jacken mit dem gelben Namensschriftzug sind die "Nachtwanderer" mittlerweile fast überall bekannt. "Immer wieder werden wir von den jungen Leuten angequatscht", erzählt Horn. "Die freuen sich, dass jemand zuhört und sich für sie interessiert."

"Echt cool" bei harmlosen Plaudereien

Vor der Disco kommen die Erwachsenen sofort mit drei Mädchen ins Gespräch, die in knappen Tops und Hosen vor dem Eingang stehen. "Na, ist es voll?", fragt Hilde Birn, die dritte Frau in der Gruppe. "Nicht besonders", antwortet eine Blondine. Autos rollen vor, aus denen junge Frauen in kurzen Röcken und muskelbepackte Kerle in engen T-Shirts steigen. "Das letzte Mal, als wir hier waren, hat ein Krankenwagen eine Schnapsleiche abgeholt", sagt Peters-Bindernagel. Manchmal kommt es auch zu Schlägereien zwischen Betrunkenen. Doch dann gehen die "Nachtwanderer" nicht dazwischen, sondern rufen mit ihren Handys die Polizei. Das kommt aber nur wenige Male im Jahr vor.

Auch an diesem Abend bleibt es ruhig - bis zur Rückfahrt. Im hinteren Teil des Busses hat es sich eine Gruppe Jugendlicher bequemgemacht. Sie trinken Alkohol und rauchen Zigaretten. Der Fahrer ermahnt sie laut. Die jungen Männer pöbeln zurück. Schnell setzen sich Horn, Birn, Peters-Bindernagel und ihre zwei männlichen Kollegen zu ihnen und verwickeln den lautesten Schreihals in eine harmlose Plauderei. Die Situation entspannt sich merklich. Als die Teenager aussteigen, verabschieden sie sich brav. "Ihr seid echt cool", ruft einer von ihnen den fünf Erwachsenen hinterher.

dpa