Das große Zögern: Schließung Guantánamos kann noch dauern
Im Anti-Terror-Kampf hat US-Präsident Barack Obama im Moment einen schweren Stand. Die jüngste Negativmeldung kam am Dienstag von der britischen Zeitung "Times": Mindestens ein Dutzend ehemalige Insassen des US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba haben sich offensichtlich im Jemen erneut dem Terrornetzwerk El Kaida angeschlossen. Unangenehme Presse für Obama, der Anfang 2009 zugesagt hatte, das umstrittene Gefängnis binnen Jahresfrist zu schließen.

Genau acht Jahre ist es her, dass die USA unter George W. Bush Guantánamo in Betrieb nahmen. Den angepeilten Schließungstermin (22. Januar) wird Obama auf jeden Fall verfehlen - ein dunkler Fleck in seiner Regierungsbilanz. Dennoch hält Obama grundsätzlich an seinem Vorhaben fest. Dabei hofft er weiterhin auch auf Deutschland und andere EU-Länder: Sie sollen ihn unterstützen, indem sie einige vom Terrorverdacht befreite Ex-Häftlinge aufnehmen.

Viele Bedingungen für Aufnahme in Deutschland

Allerdings tastet die US-Regierung sich vorsichtiger vor als bei früheren Initiativen. "Im Moment liegen keine Bitten oder Anträge der US-Seite vor", sagte ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Diplomaten berichten von sehr diskreten Gesprächen zu verschiedenen Guantánamo-Aspekten. Man will die Fehler von 2009 vermeiden: Damals hatte es mehrere US-Anfragen an Deutschland gegeben, die noch vor ihrer Entscheidungsreife lautes Mediengetöse verursachten.

Keiner der damals von den USA ausgesuchten Häftlinge, unter ihnen eine Reihe chinesische Uiguren, fand Aufnahme in Deutschland. An der restriktiven Haltung des Bundesinnenministeriums hat sich seither nichts geändert. Die betreffende Person dürfe "auf keinen Fall mehr gefährlich" sein, betont der Sprecher des Innenministeriums. Die US-Seite müsse begründen, warum der Gefangene nicht in seine Heimat zurückkehren oder in den USA bleiben könne. Ein Deutschland-Bezug sei wünschenswert.

Das Außenministerium hat seine liberalere Position aus Zeiten Frank-Walter Steinmeiers (SPD) inzwischen aufgegeben. Der neue Ressortchef Guido Westerwelle (FDP) vertritt die gleiche Linie wie de Maizière. Es bestünden keine Differenzen mit dem Auswärtigen Amt, "die Bundesregierung ist sich völlig einer Meinung", so das Innenministerium.

Menschenrechtler unzufrieden mit EU-Staaten

Andere EU-Staaten sind Obama hingegen weiter entgegengekommen als Deutschland. Zwei Usbeken gingen nach Irland, zwei Syrer nach Portugal, ein Syrer nach Belgien, zwei Algerier nach Frankreich. Ungarn nahm einen Palästinenser auf, Großbritannien einen Äthiopier. Zwei Tunesier wurden nach Italien geflogen, wo sie ein Gerichtsprozess erwartet.

Die US-Regierung übt sich in Zweckoptimismus, dass das Problem Guantánamo in absehbarer Zeit mit internationaler Hilfe gelöst wird. "Wir kommen langsam hin", sagt ein Regierungsbeamter in Washington und verweist darauf, dass Obama bereits mehr als doppelt so viele Ex-Häftlinge umgesiedelt habe wie Bush.

Menschenrechtler hingegen sind unzufrieden mit der Haltung vieler EU-Staaten. "Es ist irritierend, dass einige Regierungen Guantánamo erst laut kritisiert haben und den USA nun nicht helfen", so etwa die britische Organisation Reprieve. Der Verband verlangt, dass jedes EU-Land zwei unverdächtige Personen aufnehmen solle.

epd