Russen wollen Asteroiden "Apophis" aus der Bahn rammen
Es klingt wie eine Idee aus Hollywood-Filmen: Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos will einen Asteroiden aus der Bahn schießen, der in etwa 20 Jahren so nah wie selten ein Himmelskörper an der Erde vorbeifliegen wird. Dabei sind die Russen nicht die ersten, die auf diese Idee gekommen sind. Die europäische Satellitenmission "Don Quijote", Ergebnis dreier Studien der Europäischen Raumfahrt-Agentur ESA, kann das gleiche. Nur umsetzen müsste man das Projekt noch.
04.01.2010
Von Hanno Terbuyken

Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos regt an, den Asteroiden Apophis zu rammen, um dessen sehr unwahrscheinliche Kollision mit der Erde in etwa 20 Jahren vollends auszuschließen. Die internationale Gemeinschaft müsse schnell Wege finden, das Objekt mit einem Durchmesser von rund 300 Metern von einem möglicherweise gefährlichen Kurs abzubringen, sagte Roskosmos-Chef Anatoli Perminow der Agentur Interfax. Dazu wollen die Russen zu einer Konferenz einladen: "Zur Verhinderung einer Katastrophe wird bald ein Treffen von Wissenschaftlern aus Russland, Europa, China und den USA stattfinden", sagte Perminow.

Bisher gehen Experten davon aus, dass Apophis am Freitag, 13. April 2029, vergleichsweise nahe an der Erde vorbeifliegt. Vergleichsweise nah, das bedeutet so etwa 30.000 Kilometer - für astronomische Entfernungen fast nichts, von der Erde aus gesehen doch noch eine ziemliche Strecke. Zum Vergleich: Der Mond ist im Mittel 384.400 Kilometer von der Erde weg. Dass Apophis allerdings tatsächlich auf die Erde kracht, wird nach Meinung von Alan Harris aber nicht passieren. Harris ist Senior Researcher beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum DLR und dort zuständig für die Forschung an Asteroiden und erdnahen Objekten.

Jahre im Voraus vor der globalen Katastrophe gewarnt

"Wir wissen genau, dass Apophis die Erde verpassen wird", beruhigt Harris. "Er kommt der Erde sehr, sehr nah, aber wir können das sehr genau berechnen." Dennoch sollte sich die Europäische Raumfahrt-Agentur ESA mit der Abwehr solcher erdnahen Objekte beschäftigen. Denn: "Langfristig werden wir das brauchen. Vielleicht passiert es erst in 5.000 oder 10.000 Jahre, vielleicht in 50. Aber so ein Einschlag könnte eine ganze Stadt zerstören, oder ein kleines Land wie Holland." Irgendwann wird ein solcher Asteroid kommen, das ist sicher.

Im Weltall kreisen etwa 1.000 bekannte erdnahe Objekte mit Durchmessern vom einem Kilometer oder mehr, die die Erde treffen könnten. Das größte davon hat 40 Kilometer Durchmesser. Sein Einschlag wäre, gelinde gesagt, fatal: "Wenn das passiert, haben wir es mit einer globalen Katastrophe zu tun", sagt Harris. Das Risiko ist aber gleich null. Obwohl statistisch gesehen alle fünf- bis zehntausend Jahre ein erdnahes Objekt auf der Erde einschlägt, würde man gerade die großen Brocken von weitem kommen sehen, so wie Apophis. "Wir sind so weit, dass wir Apophis Jahrzehnte im Voraus gefunden hatten", erklärt Harris. Der Asteroid umfasst gerade mal 270 Meter. Auch  bei Weltall-Projektilen von einem Kilometer Durchmesser oder mehr sei man daher Jahre im Voraus gewarnt.

Ein Asteroiden-Einschlag könnte jeden treffen

Kleinere Elemente allerdings finden die Astronomen nicht immer. Ein Asteroid mit einem Durchmesser zwischen 50 und 200 Meter könnte durchaus unentdeckt auf die Erde fallen, meint Harris, und das würde schon reichen, um eine ganze Großstadt dem Erdboden gleich zu machen. "Objekte mit mehreren 100 Metern Durchmesser würden zwar weniger Schaden anrichten als größere, aber auch einen etwa vier Kilometer großen Krater erzeugen. Stellen sie sich mal einen vier Kilometer großen Krater mitten in Berlin vor!" Trifft solch ein Asteroid auf den Ozean, kommt es stattdessen zu einem Riesen-Tsunami, der ebenfalls viele Tausende Opfer fordern könnte, je nach Einschlagsort.

Und genau deswegen sind die Pläne der russischen und europäischen Raumfahrer, Asteroiden ablenken zu können, wichtig, meint DLR-Forscher Harris: "Meine Meinung ist, dass wir die Verpflichtung haben, uns Gedanken zu machen", und zwar weltweit. Denn ein Asteroiden-Einschlag könnte jeden treffen. Dafür hat die ESA in drei Studien das Programm "Don Quijote" entwickelt. Dabei wird zunächst ein Satellit in einen Orbit um den Asteroiden geschossen, um den Himmelskörper genau zu vermessen. Ein zweiter Satellit wird dann auf Kollisionskurs gebracht und soll mit der Energie des Aufpralls die Bahn des Asteroiden von der Erde weglenken.

Potentielle Lösungen für ein reales Problem

Allerdings handelt es sich bei "Don Quijote" und weiteren Plänen bisher nur um theoretische Konzepte. Das Geld für die weitere Entwicklung gab es bisher nicht. Die ESA hat deswegen bisher nur potentielle Lösungen für ein reales Problem, denn irgendwann, so Harris, wird ein Asteroid kommen, der (anders als Apophis) tatsächlich abgelenkt werden muss. "Es reicht zu wissen, dass und wie wir es können", meint Harris, aber bisher ist die ESA noch nicht so weit. Konkrete Pläne, die man nur aus der Schublade ziehen müsste, sind aus den Studien noch nicht geworden.

Harris sieht außerdem eine Chance, von den erdnahen Asteroiden mehr über die Entstehung der Erde und des Weltalls zu lernen, da solche Objekte unmittelbar an der Entstehung unseres Planeten beteiligt waren. Erstmal allerdings werden wohl auch die europäischen Raumfahrer mit den Russen, Amerikanern, Japanern und Chinesen darüber reden, wie man im Zweifelsfall einen Asteroiden am Aufschlag hindert.

Ob Apophis testweise dran glauben muss, bleibt noch zu klären. Immerhin sieht auch der russische Roskosmos-Chef Perminow "keinen Grund zur Panik", auch wenn Apophis dreimal mächtiger sei als der Komet, der 1908 mit der Wucht von mehr als 1000 Hiroshima-Atombomben in Sibirien eingeschlagen sein soll, sagte Perminow. Er bezog sich dabei auf das so genannte "Tunguska-Ereignis", dessen Ursache bisher nicht eindeutig geklärt ist.

Allen Hollywood-Fantasien zum Trotz betonte Perminow außerdem, es gehe nicht um die Zerstörung von Apophis mit einem Atomsprengkopf, sondern eher darum, den Asteroiden zu rammen. DLR-Forscher Harris hält das in diesem Fall für unnötig, aber darüber müssen sich die Weltall-Forscher dann bei der Konferenz einigen. Zeit ist genug: Apophis ist schließlich noch neunzehn Jahre lang unterwegs in Richtung Erde.


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de, zuständig für die Ressorts Gesellschaft und Wissen, und schreibt das Blog "Angezockt".

mit Material von dpa