Bislang war die ARD-Krimireihe "Mord in bester Gesellschaft" so etwas wie eine Wundertüte: Mal waren die Filme spannend und unterhaltsam, mal waren die Handlung durchschaubar und die Dialoge zum Davonlaufen. Der Autor war allerdings immer der gleiche. Der fünfte Fall von Wendelin Winter (Fritz Wepper) ist derart um Längen besser als die anderen Filme, als hätte Rolf-René Schneider bisher bloß geübt.
Polizeipsychologe Winter hat es diesmal mit einem Frauenmörder zu tun, der ihm gleich in mehrfacher Hinsicht unangenehm nahe kommt. Erst scheint er bloß ein grimmiges Spiel mit Winter zu spielen, dann setzt er ihm ein Messer an die Kehle, und am Schluss ist Winters Tochter Alexandra (Weppers Tochter Sophie) in höchster Gefahr.
Die idyllische Winterlandschaft rund um den Starnberger See bietet einen reizvollen Kontrast zum mörderischen Treiben. Nacheinander sterben drei Frauen, die gleich mehrere Dinge gemeinsam hatten: Sie waren alle Patientin in der Schönheitsklinik von Rheza Hamadin (Erol Sander), sie haben sich von Stefan Kroninger (Thure Riefenstein) ein fotografisches Denkmal setzen lassen, und sie leben dort, wo Serienmörder Borchert (Max Tidof) vor Jahren eine blutige Spur hinterließ. Dank Winters Gutachten musste der Killer in die Sicherheitsverwahrung, doch nun ist ihm die Flucht geglückt. Winter hatte er damals gedroht, der Psychologe werde es als Erster davon erfahren, wenn Borchert wieder auf freiem Fuß sei. Ausgerechnet jetzt ist Alexandra ausgezogen, um sich als frei Journalistin am Starnberger zu etablieren. Rasch macht sie Bekanntschaft mit allen, die die toten Frauen kannten: Mit Hamadin führt sie ein Interview, Kroninger ist ihr Nachbar, und Borchert scheint ohnehin allgegenwärtig.
Die Darsteller passen prima zu ihren Rollen, die Dialoge klingen richtig gut, und Kameramann Gero Lasnig verleiht nicht nur dem von Tidof angemessen rätselhaft verkörperten Mörder eine reizvolle Doppelgesichtigkeit, sondern sorgt auch für prachtvolle Bilder vom Starnberger See. Gerade mit dem Schönheits-Chirurgen ist Schneider zudem eine faszinierende Figur gelungen: Seit dem Segeltod seiner Frau, den Hamadin nie verwunden hat, ist der Arzt ein anderer Mensch geworden. Instinktiv spürt Alexandra, dass es ein dunkles Geheimnis geben muss. Vor allem aber gelingt es Regisseur Hans Werner eine für diese Reihe ganz untypische Form von Spannung aufzubauen. Am Ende, als Alexandra dem Geheimnis durch Zufall auf die Spur gekommen ist und prompt in höchster Gefahr schwebt, entwickelt der Film eine ganz ungewohnte Thriller-Dramatik.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).