"Die besonderen Stoffe gibt es kaum noch"
Er ist eine deutsche Schauspiel-Legende und hat mit Regisseuren wie Billy Wilder, Rainer Werner Fassbinder und Volker Schlöndorff gedreht. Nun ist der 79-Jährige, der abwechselnd in Paris und München lebt, in einem neuen großen Zweiteiler zu sehen: In dem Ökothriller "Das Geheimnis der Wale" (erster Teil: Sonntag, 3.1., 20.15 Uhr, ZDF) spielt Mario Adorf einen Walforscher, der beim Schutz der bedrohten Tiere sein Leben riskiert.
03.01.2010
Von Cornelia Wystrichowski

evangelisch.de: Herr Adorf, im ZDF-Zweiteiler "Das Geheimnis der Wale" spielen Sie einen Walforscher. Haben Sie denn bei den Dreharbeiten in Südafrika auch Wale gesehen?

Mario Adorf: Nein, in dem Film tauchen zwar Wale auf, aber wir selber haben bei den Dreharbeiten keine gesehen. Wir sind aber in einer Drehpause eigens zu einer Bucht in der Nähe von Kapstadt gefahren, wo man Wale beobachten kann, aber leider war es nicht die Jahreszeit, wo man sie so schön deutlich sehen kann, wenn sie mit ihren riesigen Schwanzflossen aus dem Wasser springen. Sie schwammen da rum, man hat sie vage wahrgenommen, und ich habe auch Fotos gemacht, aber auf denen ist nicht viel zu sehen.

evangelisch.de: Der Zweiteiler hat ein sehr spezielles Thema: Es geht darum, welch enorme Lärmbelästigung die Erforschung von Öl- und Gasvorkommen am Meeresgrund für Wale ist. Hatten Sie vorher schon mal von dieser Problematik gehört?

Adorf: Nein, von dieser Lärmbelästigung und der Auswirkung auf Wale und Delfine habe ich vorher nichts gewusst. Ich interessiere mich zwar für das Thema Umweltschutz, aber es wäre zu viel gesagt, dass ich jetzt noch ein aktiver Tierschützer werde. Aber am Drehort habe ich mir dann einen Vortrag eines Walschützers angehört, das war eine sehr interessante Lehrstunde. Da ich ja einen Walforscher spiele, war es für mich sehr wichtig, darüber informiert zu sein, denn wie soll ich so was sonst spielen? Die Rolle habe ich aber nicht in Hinblick auf die Thematik ausgewählt.

Ferres` Idee

evangelisch.de: Sondern?

Adorf: Das Ganze ging von Veronica Ferres und ihrem damaligen Mann Martin Krug aus. Wir trafen uns während der Filmfestspiele in Cannes, da hatten beide auf einmal diese Idee und sagten: Der Walforscher wäre doch eine Rolle, die du spielen könntest – und ich habe akzeptiert.

evangelisch.de: Der Film ist eine der seltenen Gelegenheiten, Sie mal wieder in einer neuen TV-Produktion zu sehen. Bekommen Sie nicht genug reizvolle Rollenangebote, oder machen Sie sich bewusst so rar?

Adorf: Ich habe nie zu denen gehört, die jeden Tag oder jede Woche in einer Serie oder irgendeiner Fortsetzung im Fernsehen zu sehen sind. Das habe ich nie gemacht und werde das auch weiterhin nicht tun. Wenn ich jedes Jahr ein großes Filmprojekt mache, ist das für mich genug, ein Zweiteiler wie "Das Geheimnis der Wale" nimmt eine lange Zeit in Anspruch.

Film über Karl Marx

evangelisch.de: Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit den Rollenangeboten?

Adorf: Man kann sich die Angebote heute nicht aussuchen. Die ganz besonderen Stoffe, bei denen man sagt: "Ja, das ist doch mal wieder eine Rolle!", die gibt es kaum noch. Ich bin seit mehr als vier Jahren dabei, einen Film über Karl Marx voranzutreiben, in dem ich die Titelrolle spielen würde. Ich habe mich sogar selber hingesetzt und am Drehbuch mitgearbeitet, weiß aber immer noch nicht, ob die betreffende Fernsehanstalt das akzeptiert und den Film realisieren wird. Zuletzt habe ich drei Monate für den Zweiteiler "Der letzte Patriarch" gedreht.

evangelisch.de: Die ARD will „Der letzte Patriarch“ zu Ihrem 80. Geburtstag am 8. September zeigen. Ist dieser Geburtstag für Sie ein Anlass, Bilanz zu ziehen?

Adorf: Überhaupt nicht, das ist für mich nur eine Zahl, das interessiert mich sehr wenig. Wichtig ist doch, wie gut es einem geht und ob man überhaupt noch Lust hat, zu arbeiten. Andere ziehen ja in meinem Alter die Ruder ein und sagen: Das war’s, ich gehe Rosen züchten. Ich kann froh und glücklich sein, dass es bei mir physisch und geistig noch weitergeht.

Verpasste Chance

evangelisch.de: Wenn man Ihre Karriere Revue passieren lässt, sticht neben großen Filmen wie "Der große Bellheim" oder "Der Schattenmann" eine Rolle heraus, in der Sie gar nicht zu sehen waren. Haben Sie in den 70ern wirklich Regisseur Francis Ford Coppola einen Korb gegeben, als er Sie für seinen Mafiafilm "Der Pate" wollte?

Adorf: Der Coppola hat mich damals gefragt, ob ich in der Romanvorlage von Mario Puzo eine Rolle für mich sehen würde. Daraufhin sagte ich ihm, dass ich als italienischstämmiger Schauspieler den Sonny Corleone glaubhaft verkörpern könnte, den ältesten Sohn von Marlon Brando als Don Vito. Diese Rolle hatte er aber schon mit James Caan besetzt. Da habe ich gleich gesagt: "Der ist nicht der Richtige, der ähnelt Brando doch gar nicht, schauen Sie mich an, ich könnte das spielen!" Als Coppola mich dann fragte, ob ich keine andere Rolle in dem Buch für mich sehen würde, sagte ich nein, und das war’s dann für mich.

evangelisch.de: Wäre Ihre Karriere anders verlaufen, wenn Sie diese Gelegenheit nicht verpasst hätten?

Adorf: Wenn ich den Sonny Corleone gespielt hätte, dann hätte das ganz bestimmt was geändert. Aber einfach irgendeine Rolle zu übernehmen, nur um hinterher sagen zu können, dass ich im "Paten" den 25. Gangster gespielt habe, das hat mich nicht so interessiert. Überhaupt hat mich das immer ein bisschen geärgert: Die Amerikaner mussten nur rufen, und schon tanzten die großen europäischen Schauspieler, um dann irgendwelche kleinen Wurzen zu spielen. Große Rollen in amerikanischen Filmen zu bekommen, war früher für europäische Schauspieler fast aussichtslos. Heute scheint sich das ja etwas zu ändern. Wenn man sieht, dass wunderbare deutschsprachige Schauspieler wie August Diehl und Christoph Waltz in einem Tarantino-Film mitspielen, dann ist das ein großer Fortschritt. Das ist doch toll.