Ehrenmord-Prozess: Freispruch oder lebenslänglich?
Im Prozess um den sogenannten Ehrenmord an der 20-jährigen Gülsüm im niederrheinischen Rees werden an diesem Dienstag die Urteile gesprochen. Angeklagt vor dem Landgericht Kleve sind der Vater der Kurdin, ihr 20-jähriger Drillingsbruder sowie ein 37-jähriger Aserbaidschaner. Ihnen wird gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen. Der Bruder und sein Bekannter sollen die bildhübsche Kurdin Anfang März in einen Hinterhalt gelockt und ihr mit Knüppeln das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert haben, um die Familienehre wieder herzustellen.

Die Staatsanwaltschaft hat für den 50-jährigen Vater, der als Drahtzieher des Mordkomplotts an seiner eigenen Tochter gilt, lebenslange Haft beantragt. Für den Bruder Gülsüms verlangte die Anklage die Höchststrafe von zehn Jahren Jugendhaft. Der aserbaidschanische Bekannte soll nach dem Willen der Anklage für acht Jahre wegen Beihilfe zum Mord hinter Gitter. Die Verteidigung hatte für den Vater und den Bekannten Freisprüche verlangt sowie eine milde Jugendstrafe für den Bruder. Dieser hatte die Tat nach seiner Festnahme in einer Polizeivernehmung gestanden.

Gülsüm sollte gegen ihren Willen verheiratet werden. Als die Familie erfuhr, dass sie keine Jungfrau mehr war und heimlich eine Abtreibung hatte vornehmen lassen, sollen der Vater und der Bruder beschlossen haben, sie umzubringen. Die Familie mit zehn Kindern war vor etwa 15 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Die Mutter hatte sich 1996 das Leben genommen, nachdem bei ihr Krebs diagnostiziert worden war. Nach Ansicht von Sachverständigen herrschen in der Familie archaisch-patriarchalische Vorstellungen - die Ehre sichere die Existenz.

Auf einem einsamen Feldweg mit Knüppeln erschlagen

Gülsüms westlicher Lebensstil war ihrer kurdischen Familie seit langem zuwider. Der Vater soll Gülsüm schon lange zuvor massiv unter Druck gesetzt haben, damit sie sich an konservativen muslimischen Glaubensregeln orientiert. Gülsüm soll dabei auch mehrfach misshandelt worden sein. 2008 hatte sie sich den Behörden anvertraut und Hilfe erhalten, unter anderem eine Wohnung an einem geheimen Ort. Dennoch kehrte Gülsüm nach Rees zu ihrer Familie zurück.

Unter einem Vorwand soll der Bruder die 20-Jährige im März dieses Jahres auf einen einsamen Feldweg gelockt haben. Von hinten soll er seiner Schwester eine Wäscheleine um den Hals gelegt und sie bis zur Bewusstlosigkeit gedrosselt haben. Anschließend soll der Bruder gemeinsam mit dem Bekannten die junge Frau mit Knüppeln erschlagen haben. Die Ermittler waren durch einen blutbeschmierten Jackenknopf am Tatort auf die Spur der Männer gekommen.

Vor Gericht hatten die Angeklagten geschwiegen. Gülsüms Vater hatte über seinen Anwalt erklären lassen, er habe nichts mit der Tat zu tun.

dpa