Tote nach neuen Protesten im Iran
Neue Dimension der Proteste im Iran: Bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern des erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und Sicherheitskräften gab es am Sonntag in Teheran erstmals seit den Protesten gegen die Wiederwahl des Präsidenten Mitte Juni Tote. Das wurde am Abend im staatlichen Fernsehen bestätigt. Die Opposition hatte zuvor von vier Toten in Teheran gesprochen, darunter sei auch ein Neffe von Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi. Auch in Tabris im Nordwesten des Iran seien vier Demonstranten getötet worden, berichtete das Internetportal Jaras.

Die USA haben die tödliche Gewalt bei den Protesten im Iran aufs Schärfste kritisiert. Washington verurteile "die gewaltsame und ungerechte Unterdrückung von Zivilisten im Iran, die ihre Grundrechte ausüben", teilte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Mike Hammer, am Sonntag mit. "Durch Angst und Gewalt zu regieren ist niemals gerecht", erklärte er weiter. "Es ist vielsagend, wenn Regierungen die Hoffnungen ihrer Bürger mehr fürchten als die Macht einer anderen Nation."

Die Polizei im Iran sprach von mehr als 300 Festnahmen. Darunter seien auch Mitglieder der militanten Oppositionsgruppe Volksmudschaheddin, sagte der stellvertretende Polizeichef Ahmad-Resa Radan dem staatlichen Fernsehen.

Proteste zum Aschura-Fest

Die iranische Opposition hatte das schiitische Aschura-Fest zu ihren neuen Protesten gegen die Regierung von Präsident Ahmadinedschad genutzt. In dem offensichtlichen Versuch, die Opposition zu diskreditieren, berichtete die Agentur Fars, dass Mussawi-Anhänger eine Kopie des Korans verbrannt hätten. Außerdem hätten die Oppositionellen mehrere Gläubige bei den Feierlichkeiten mit Steinen beworfen und einen Kleriker verletzt.

Die Polizeibehörden hatten zunächst bestritten, dass es Tote gab. Ein Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Fars, die Behörden hätten bis zum späten Nachmittag keine Informationen über mögliche Todesopfer erhalten. Dagegen gebe es Berichte über zahlreiche verletzte Polizisten. Oppositionelle verteilten derweil Fotos, auf denen Leichname und Schwerverletzte zu sehen waren.

Laut Augenzeugen beteiligten sich am Sonntag Tausende von Iranern an den Protestzügen gegen Ahmadinedschad. Sie wurden von Zehntausenden Autofahrern unterstützt, die mit Hupkonzerten ihre Sympathie mit den Demonstranten bekundeten. Im Verlauf der Protestkundgebungen im Zentrum und im Westen Teherans seien zahlreiche Polizeimotorräder in Brand gesetzt worden, hieß es.

Die iranische Führung hatte am Vormittag noch versucht, Protestkundgebungen gleich im Keim zu ersticken. An zahlreichen neuralgischen Punkten der Hauptstadt waren deshalb Einheiten der Sicherheitskräfte aufmarschiert.

Tränengas eingesetzt

Bereits am Samstag war es wieder zu Protesten gegen Ahmadinedschad gekommen. Dabei habe es immer wieder Zusammenstöße mit Sicherheitskräften gegeben, meldeten Internetseiten der Opposition.
Die Polizei habe Tränengas eingesetzt und in die Luft geschossen, um die Kundgebungen aufzulösen.

Die Oppositionellen hatten sich am Samstag an zunächst mehreren Stellen in Teheran versammelt, darunter auch an der Universität, hieß es auf den regimekritischen Websites. Zu größeren Protesten kam es nach Augenzeugenberichten am Samstagnachmittag auch in der belebten Niavaran-Avenue im Norden Teherans. Dort gingen Hunderte Anhänger der grünen Bewegung von Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi auf die Straße. Eine Rede des regimekritischen Ex-Präsidenten Mohammed Chatami war von Anhängern Ahmadinedschads verhindert worden.

Die Opposition wirft dem erzkonservativen Präsidenten Wahlbetrug vor. Nach der Wahl im Juni hatte es tagelange Proteste gegen den Ausgang der Abstimmung gegeben. Hunderte Regimekritiker wurden seinerzeit festgenommen. Die junge Iranerin Neda starb damals von einer Kugel getroffen und wurde über Nacht zum Symbol des Protestes.

dpa