USA: Anklage gegen Delta-Bomber erhoben
Trotz klarer Warnsignale hat ein junger Nigerianer einen voll besetzten US-Passagierjet um ein Haar in die Luft gesprengt und damit weltweit neue Terrorangst geschürt. Nur Glück und das beherzte Eingreifen von Passagieren verhinderte am ersten Weihnachtstag, dass der 23-jährige Umar Faruk Abdulmutallab beim Landeanflug auf Detroit an Bord eines mit 278 Passagieren besetzten Airbus der US-Gesellschaft Delta eine Bombe zündete.

Als Reaktion wurden die Kontrollen für Flüge in die USA und innerhalb des Landes erheblich verschärft. In Amsterdam, von wo aus der Attentäter abgeflogen war, begann die Suche nach Sicherheitslücken. Nur zwei Tage später löste ein neuerlicher Zwischenfall auf derselben Flugverbindung Alarm aus: Ein Passagier hatte sich am Sonntag eine Stunde auf der Bordtoilette eingesperrt und war ausfällig geworden, als er zu seinem Sitz zurückkehren sollte. Der Pilot forderte daraufhin von der Bodenkontrolle Notfallhilfe an. Die Gefahr eines Anschlages bestand laut Behörden aber nicht. Die Maschine konnte sicher in Detroit landen.

Vater des Delta-Bombers warnte US-Behörden

Die Spuren des vereitelten Attentats vom Freitag führen einem US- Medienbericht zufolge in den Jemen und zum Terrornetz El Kaida. Die Organisation von Osama bin Laden habe die Tat geplant und den Sprengsatz geliefert, der 80 Gramm des hochexplosiven Plastiksprengstoffs PETN enthielt, wie der US-Fernsehsender ABC meldete. Abdulmutallab sei in dem arabischen Land auch für das Selbstmordkommando trainiert worden. Der Sprengsatz sei von einem Top-Bombenbauer von El Kaida im Jemen gebaut worden. Ein Inferno wurde demnach nur verhindert, weil ein Zünder nicht funktionierte.

Der Vater des Flugzeugbombers hatte nach Informationen der Sender BBC und CNN die US-Botschaft in seiner Heimat Nigeria bereits vor "einigen Wochen" gewarnt, dass sein Sohn radikalisiert und gefährlich sei. Aus US-Sicherheitskreisen verlautete demnach, dass daraufhin auch eine Akte angelegt worden sei und der junge Nigerianer auf eine allgemeine Beobachtungsliste (Terrorist Identities Datamart Environment - Tide) gesetzt wurde, in der etwa 500.000 Verdächtige stehen. Sein Name sei jedoch nicht auf eine engere Liste (Terrorist Screening Data Base) gesetzt worden, was bedeutet hätte, dass er nicht mehr fliegen dürfe, berichtete die BBC.

Amsterdam: Suche nach Sicherheitslücke begonnen

Der 23-Jährige habe laut der Ermittler über den in den USA geborenen und nun im Jemen lebenden radikalen Prediger Anwar al- Awlaki Kontakt zu El Kaida aufgenommen - derselbe Geistliche, mit dem auch der Attentäter von Fort Hood in Verbindung gestanden haben soll, meldete ABC. Der muslimische Major Nidal Malik Hasan hatte Anfang November dabei 13 Menschen erschossen und Dutzende verletzt.

Nach Mitteilung der niederländischen Behörden war der Nigerianer vor dem Flug in die USA auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol durch eine Sicherheitskontrolle gegangen, ohne dass an seinem Körper versteckter Sprengstoff entdeckt wurde. "Bei der Sicherheitskontrolle wurden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt, obwohl sie gemäß der Vorschriften durchgeführt wurde", sagte ein Sprecher des Büros für die Koordinierung des Terrorismusbekämpfung (NCTb). Allerdings seien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Abdulmutallab sagte aus, der Sprengstoff sei in seine Unterwäsche eingenäht gewesen.

In London war der Nigerianer als Sicherheitsrisiko bekannt

Der Täter wurde derweil in den USA angeklagt. Die Vorwürfe wurden am Samstag in einem Konferenzraum des Krankenhauses verlesen, in das der 23-Jährige wegen der schweren Verbrennungen gebracht worden war, die er bei dem missglückten Attentat erlitten hatte. Ihm wird der Versuch zur Last gelegt, ein Flugzeug in die Luft zu sprengen und zudem einen Sprengkörper an Bord des Airbus gebracht zu haben. Beides kann mit jeweils bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden.

Aus London verlautete, dass der Mann als Sicherheitsrisiko bekannt gewesen sei. Britische Behörden verweigerten dem 23-jährigen Nigerianer bereits im Frühjahr die Einreise nach Großbritannien. Zwischen 2005 und 2008 durfte er sich in Großbritannien aufhalten, weil er am University College in London Maschinenbau studierte. Abdulmutallab hatte jedoch ein gültiges US-Visum. Der junge Mann wohnte im Haus seines wohlhabenden Vaters, eines ehemaliger Ministers und Bankenchefs in Nigeria. Ein Cousin des 23- Jährigen sagte dem "Sunday Telegraph", die Familie habe befürchtet, dass Abdulmutallabs Glaube in Großbritannien "radikalisiert" wurde.

Verschärfte Kontrollen in USA und Deutschland

Als Reaktion auf dem vereitelten Terroranschlag wurden die Sicherheitsbestimmungen vor und während der Flüge in die USA erheblich verstärkt. So müssen Passagiere in der letzten Stunde des Fluges vor der Landung sitzen bleiben, berichteten mehrere Fluggesellschaften, darunter British Airways und Air Canada. Außerdem dürfen die Flugreisenden in diesem Zeitraum nicht mehr an ihr Handgepäck. Während des gesamten Fluges sind Gegenstände auf dem Schoß vorerst nicht gestattet. An Flughäfen wird auf Wunsch der US- Behörden an jedem Abflugsteig noch einmal gesondert Handgepäck durchsucht, Reisende werden noch einmal besonders kontrolliert.

Auch an deutschen Flughäfen ist bei US-Flügen nun mit verschärften Kontrollen zu rechnen. Verzögerungen gebe es deswegen aber nicht, sagte ein Sprecher des Frankfurter Flughafens am Sonntag. Die Passagiere sollten unbedingt ein entsprechendes Zeitpolster einplanen und überpünktlich vor dem Abflug ihrer Maschine erscheinen, sagte eine Sprecherin des Bundespolizeipräsidiums Potsdam.

Mit den neuen Regelungen reagieren die Behörden auf die Umstände des vereitelten Attentats: Vor der Landung ging der Nigerianer demnach für 20 Minuten auf die Bordtoilette. Als er zurückkam, klagte er über Magenschmerzen und legte eine Decke über seinen Schoß. Eine Flugbegleiterin habe ihn gefragt, was er in seiner Hosentasche habe. Daraufhin antwortete er: "Einen Sprengsatz". Passagiere überwältigten den Mann, während er versuchte, die Bombe auszulösen. Als Held gilt dabei der 32-jährige Amsterdamer Werbefilmer Jasper Schuringa.

Deutschland: Warnung vor schärferen Sicherheitsgesetzen

Nach dem Anschlagsversuch auf ein US-Flugzeug haben sich Politiker in Koalition und Opposition gegen schärfere Sicherheitsgesetze gewandt. Der Vorsitzende des Bundestags- Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), verwies in der "Berliner Zeitung" (Montag) darauf, dass in den vergangenen Jahren bereits viele Sicherheitslücken geschlossen worden sind. Gegen menschliches Versagen würden auch keine schärferen Gesetze helfen, fügte er hinzu.

Die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz sagte der Zeitung, zunächst müsse untersucht werden, wie der mutmaßliche Täter die Sicherheitsschleusen überwinden konnte. Erst dann könne über Folgen debattiert werden. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sprach sich gegen Verschärfungen aus. Wichtig sei, dass vorhandene Informationen zusammengeführt würden. Dies hätten die US-Behörden offenbar versäumt.

Im "Hamburger Abendblatt" (Montag) warb Bosbach um Verständnis für verschärfte Personen- und Handgepäckkontrollen. "Die Durchsuchungen an den Flughäfen sind nicht Folge einer Sicherheitshysterie, sondern leider notwendig." Es sei nun Aufgabe technischer Forschung, Durchsuchungsgeräte zu entwickeln, "die Tatmittel leichter erkennbar machen, ohne dabei die Privat- und Intimsphäre der Passagiere zu verletzen", fügte er hinzu. "Die so genannten Nackt-Scanner erfüllen diese Voraussetzungen bislang nicht."

Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, forderte eine Weiterentwicklung der Durchsuchungsmöglichkeiten: "Die technischen Möglichkeiten bei der Entdeckung chemischer Substanzen müssen immer auf der Höhe der Zeit sein. Sparen wäre hier im höchsten Maßen verantwortungslos", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, forderte mehr Personal für die Kontrolle von Fluggästen: "Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass Sicherheit nichts kostet. Wer spart, reißt Sicherheitslücken", sagte er der "Berliner Zeitung" (Montag).

dpa