Terrorangst reißt Amerika aus der Weihnachtsstimmung
Ein Gespenst geht um in Amerika. Es kommt in Schuhen und Hosenbeinen, in Taschen und in Rucksäcken, in Autos und in Flugzeugen: Terrorismus. Die Wirtschaftskrise hatte das Thema schon fast verdrängt, die Gesundheitsreform in den USA die öffentliche Debatte bestimmt. Jetzt, nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf ein Passagier-Flugzeug, wird die innere Sicherheit wieder ganz nach oben in die öffentliche Debatte gespült werden. Für Fluggäste wird das Reisen vermutlich noch unkomfortabler.

Der Urlaub von US-Präsident Barack Obama war gerade einen Tag alt, da holte ihn brutal die Realität des Regierens wieder ein. Statt die sonnigen Strände Hawaiis zu genießen, ließ sich Obama am Freitag per abhörsicherer Konferenzschaltung mit engsten Sicherheitsberatern verbinden. Thema: Der vereitelte Anschlag eines jungen Nigerianers auf einen US-Passagierjet. Angesichts von Wirtschaftskrise und Regierungswechsel hatte das Thema Terrorismus die Amerikaner zuletzt längst nicht mehr so beschäftigt wie noch vor ein paar Jahren. Ausgerechnet zur Weihnachtszeit kriecht nun die alte Terror-Furcht wieder hervor, auch wenn der genaue Hintergrund des Täters und seine düsteren Motive zunächst unklar waren.

Die Maschine des Northwest-Airlines-Flug 253 hatte gerade das Fahrgestell ausgefahren, da schreckt ein lauter Knall aus Richtung Reihe 19 die Passagiere auf. Erst dachte sie, ein Reifen sei geplatzt, sagte die Niederländerin Stephanie van Herk. Dann sah sie aber eine Stichflamme im Schoß eines Mannes eine Reihe hinter ihr. "Alle habe angefangen zu schreien", sagte sie dem "Wall Street Journal". "Es gab Panik."

Erinnerungen an den Schuhbomber

Schlimme Erinnerungen an den als "Schuhbomber" bekannten Briten Richard Reid werden wach, angesichts der Umstände des versuchten Anschlags vom Freitag. Der Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab trug seinen Sprengsatz am Bein festgeschnallt, Reid hatte seinen im Turnschuh versteckt, als er 2001 - ebenfalls zu Weihnachten - einen Flug von Paris nach Miami in einem Inferno enden lassen wollte. 2006 hatten britische Behörden einen Terrorplan aufgedeckt, bei dem die Attentäter explosive Chemikalien mit Hilfe von Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen zusammen mischen wollten. Ihr Ziel - Flüge in die USA. Bis zu 2.000 Menschen hätten sterben können, schätzen Ermittler.

Seit Richard Reid müssen Passagiere bei Kontrollen an US-Airports und vor Flügen in die USA ihre Schuhe ausziehen. Später wurde auch die Menge der Flüssigkeiten begrenzt, die Fluggäste mit an Bord nehmen können. Und dennoch schlüpfte Abdulmutallab durchs Netz. "Entweder ist bei den Sicherheitschecks in Amsterdam etwas schiefgelaufen oder sie waren nicht besonders effektiv", mutmaßte am Samstag ein Fernsehkorrespondent. Postwendend will die EU-Kommission überprüfen, ob alle Sicherheitsregeln in Europa eingehalten wurden.

Schärfere Kontrollen in den USA angekündigt

Auf US-Flughäfen müssen sich Passagiere nun wohl wieder stärker in Geduld üben angesichts von Präsident Obamas umgehend erlassenen Order, die Sicherheitsvorkehrungen im Luftverkehr zu verschärfen. Und das, wo es gerade wieder entspannter auf amerikanischen Airports zuzugehen schien. Erst im Oktober hatte die US-Behörde für Verkehrssicherheit (TSA) angekündigt, bald wieder größere Mengen Flüssigkeiten im Handgepäck erlauben zu wollen.

Terrorexperten überrascht es derweil nicht, dass es sich bei dem verhinderten Attentäter um einen Nigerianer handelt. "Wir sind schon seit einer Weile besorgt über El Kaida oder terroristische Organisationen in Nigeria", sagte der US-Abgeordnete Peter King, Mitglied des Ausschusses für Heimatschutz im Repräsentantenhaus, laut "New York Times". Der Zeitung zufolge gibt es zudem seit Jahren Bedenken über die Qualität der Sicherheitskontrollen in dem westafrikanischen Land. Erst vorigen Monat jedoch befand die TSA, die Standards in Lagos entsprächen durchaus internationalen Normen.

Fahndung in London

Die britische Polizei ist am Samstag den Spuren des mutmaßlichen Täters in London nachgegangen. Der 23-jährige Nigerianer soll demnach zwischen 2005 und 2008 am University College London Maschinenbau studiert haben. Scotland Yard befragte Personen aus dem Umfeld des Verdächtigen und durchsuchte mehrere Häuser, darunter auch die Wohnung, in der während des Studiums lebte. Premierminister Gordon Brown sprach von einer "ernsthaften möglichen Bedrohung" und wolle weitere Maßnahmen ergreifen, falls dies erforderlich sei. "Wir arbeiten eng mit den US- Behörden zusammen", sagte er.

Nigerias Informationsministerin Dora Akunyili verurteilte den versuchten Anschlag. Die Regierung habe ihre eigenen Ermittlungen über den Verdächtigen eingeleitet und wolle mit den US-Behörden kooperieren, sagte die Ministerin. "Wir betonen sehr deutlich, dass wir als Nation jede Form von Gewalt verabscheuen."

dpa