Die Bundesregierung in Berlin zeigte sich "bestürzt" und "tief besorgt". Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte laut einer Mitteilung: "Ich bedauere, dass die chinesische Regierung trotz großer Fortschritte in anderen Bereichen die Meinungs- und Pressefreiheit immer noch massiv einschränkt." Auch Außenminister Guido Westerwelle mahnte gegenüber Peking die Einhaltung elementarer Grundrechte wie das Recht auf Meinungsfreiheit an. "Ich ermutige die chinesische Regierung, den Weg der Öffnung und Modernisierung ihres Landes fortzusetzen und die Einhaltung der Menschenrechte zu gewährleisten", sagte Westerwelle.
Auch die US-Regierung zeigte sich "tief besorgt" und forderte - wie auch das britische Außenministerium - die sofortige Freilassung von Liu Xiaobo. Eine Bestrafung von Menschen, die die Demokratie stärken, sei ebenso wie das hohe Strafmaß "völlig unangemessen", sagte eine Sprecherin am Freitag in London. Die Europäische Union zeigte sich ebenfalls "tief besorgt" über das "unverhältnismäßige" Urteil und über den Umgang mit dem Recht auf Meinungsfreiheit und auf faire Prozesse in China.
Ausländische Beobachter waren nicht zugelassen
Chinesische Intellektuelle sahen darin einen Versuch, alle Kritiker des kommunistischen Regimes in China einzuschüchtern. In dem Prozess am Mittwoch war dem Ehrenvorsitzenden des chinesischen Pen- Clubs unabhängiger Schriftsteller vorgeworfen worden, einer der Initiatoren des "Charta 08" genannten Appells für Demokratie und Menschenrechte gewesen zu sein. Auch wurden ihm Aufsätze mit scharfer Kritik an der diktatorischen Herrschaft der Kommunistischen Partei angelastet.
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Die Verteidigung zeigte sich enttäuscht. "Die Strafe ist höher, als wir erwartet haben", sagte Anwalt Shang Baojun der Deutschen Presse-Agentur dpa. Es habe Schweigen im Saal geherrscht, als der Richter das Urteil verlesen habe. Auf Bitten der Anwälte habe der Richter Liu Xiaobo am Ende einige Minuten für ein paar Worte mit seiner Frau gewährt. Dass das Urteil am ersten Weihnachtstag verkündet wurde, werteten die Anwälte als einen Versuch, internationaler Aufmerksamkeit zu entgehen.
Das Gericht verteidigte sich mit dem Hinweis, "sich strikt an rechtliche Verfahren gehalten und Liu Xiaobos Rechte in dem Prozess umfassend geschützt zu haben". Obwohl das Gericht weiträumig abgeriegelt war und ausländische Diplomaten aus Deutschland, anderen EU-Staaten und den USA als Beobachter abgewiesen worden waren, sprach die Staatsagentur Xinhua von einem "öffentlichen" Prozess.
Urteil soll der Abschreckung anderer Bürgerrechtler dienen
Menschenrechtsgruppen sahen ein Zeichen für ein "verschärftes Vorgehen gegen politisch Andersdenkende" in China. Das Rechtssystem werde weiter "als Werkzeug benutzt, um Kritiker zum Schweigen zu bringen, selbst wenn die Welt zuschaut", sagte Renee Xia von der Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD).
Ein solches Urteil diene dazu, "all jenen eine Warnung zu geben, die kein Blatt vor den Mund nehmen", sagte der chinesische Künstler Ai Weiwei der dpa in Peking. Der Versuch werde nach hinten losgehen. "Eine solche Strafe wird noch mehr Diskussionen auslösen und mehr Aufmerksamkeit für solche Fälle schaffen", sagte Ai Weiwei, der zu den bedeutendsten chinesischen Künstlern der Gegenwart gehört. "Die chinesische Regierung sollte versuchen, neue Maßnahmen zu ergreifen, um die Möglichkeiten zum Dialog und zum gegenseitigen Verständnis zu verbessern - sonst verhält sie sich töricht."
Auch Chinas Verfassung schützt die Meinungsfreiheit
Der Prozess sei "lächerlich", sagte Ai Weiwei. Liu Xiaobo sei ein "vernünftiger und wohlwollender Mensch". "Er benutzt Worte, um seine Ideen auszudrücken. Sein ganzes Werk entspricht der chinesischen Verfassung." Der Bürgerrechtsanwalt Teng Biao nannte das Urteil "nicht akzeptabel". "Liu Xiaobo ist unschuldig", sagte Teng Biao. "Die Meinungsfreiheit ist durch die Verfassung geschützt."
Die pensionierte Professorin Ding Zilin, die an der Spitze des Netzwerkes der Familien der Opfer der blutigen Niederschlagung von 1989 steht, forderte alle Unterstützer der "Charta 08" auf, "die Arbeit fortzusetzen und zu Ende zu bringen, was wir noch nicht abgeschlossen haben". Die Asiendirektorin von Human Rights in China (HRiC), Sharon Hom, sah einmal mehr "die Intoleranz der chinesischen Behörden gegenüber freier Meinungsäußerung und ihre Unfähigkeit, konstruktiv auf kritische Stimmen zu reagieren".