US-Senat stimmt für Gesundheitsreform
Rund hundert Jahre, nachdem Präsident Theodore Roosevelt in den USA eine nationale Krankenversicherung gefordert hat, ist US-Präsident Barack Obama am Ziel: Die Gesundheitsreform kommt - trotz der Kritik aus dem eigenen demokratischen Lager, die Reform sei verwässert, und trotz des erbitterten Widerstands der Republikaner, die einen staatlichen "Griff nach der Macht" im Gesundheitswesen fürchten.

Nach monatelangem heftigem Tauziehen hat der US-Senat an Heiligabend ein Gesetz zur Reform des Gesundheitswesens beschlossen. Der Entwurf entspricht weitgehend dem Wunsch von US-Präsident Barack Obama, allen Bürgern eine bezahlbare Krankenversicherung zu ermöglichen. 58 demokratische und zwei unabhängige Senatoren stimmten mit Ja, 39 republikanische Senatoren dagegen. Der früh am Morgen gefasste Beschluss gilt als entscheidender Durchbruch für die Reform.

Das Repräsentantenhaus hatte bereits im November einen leicht abweichenden Entwurf verabschiedet. Im nächsten Jahr müssen daher die Einzelheiten der Gesundheitsreform zwischen beiden Häusern des Kongresses noch abgestimmt werden. Die Abstimmung am Donnerstag sei ein Fortschritt und biete neue Möglichkeiten, sei aber nur der Anfang, sagte Harry Reid, der demokratische Mehrheitsführer. Die Gegner der Reform argumentieren, das Vorhaben sei zu teuer und gebe dem Staat zu viel Macht über das Gesundheitswesen.

Präsident Obama bezeichnete die Reform als einen historischen Schritt, vergleichbar vielleicht sogar mit der Einführung der staatlichen Rentenversicherung 1935. Im Rundfunksender "National Public Radio" kritisierte er die Skeptiker, denen der Entwurf nicht weit genug gehe. Diese Kritiker missachteten die Realität, dass das Gesetz Millionen Menschen helfe.

Recht auf Krankenversicherung

In den USA sind mehr als 46 Millionen der rund 300 Millionen Einwohner nicht krankenversichert. 31 Millionen würden nach der Reform neu versichert. Alle hätten ein Recht auf Krankenversicherung, sagte der demokratische Senator Richard Durbin.

Dem Reformentwurf zufolge müssten alle US-Amerikaner eine Krankenversicherung abschließen. Niedrigverdienern will der Staat finanziell helfen. Versicherungen dürfen Kranke in Zukunft nicht länger diskriminieren. Bisher konnten sie Antragsteller wegen bereits bestehender Krankheiten ablehnen und Versicherte fallenlassen, wenn die Behandlung zu teuer wird. Das Reformpaket enthält auch Kostenkontrollmaßnahmen für die Pharma- und Gesundheitsindustrie. Ausgeschlossen von der Reform sind die rund zwölf Millionen Einwanderer, die illegal in den USA leben.

Die von Obama bereits im Wahlkampf 2008 in Aussicht gestellte Reform ist im Lauf der Kongressdebatten und unter dem Druck der Versicherungsindustrie erheblich verändert worden. So enthält sie keine staatliche Alternativversicherung mehr, die den privaten Versicherungsfirmen Konkurrenz machen würde.

Uneins sind sich beide Kammern des Kongresses in der Frage, ob staatlich subventionierte Versicherungen Schwangerschaftsabbrüche abdecken. Auch bei der Finanzierung der Reform gibt es Differenzen. Die Verhandlungen zwischen Senat Repräsentantenhaus werden daher voraussichtlich noch mehrere Wochen dauern.

Hohe Verwaltungskosten der Privatversicherungen

Das US-Gesundheitswesen gleicht bislang einem löcherigen Flickenteppich: Es gibt keine gesetzliche Krankenversicherung. Versicherte sind bei hunderten privaten Firmen versichert, oft durch ihren Arbeitgeber. Senioren bei der staatlichen Versicherung "Medicare", und Einkommensschwache bei "Medicaid". Besonders schlecht stehen Angehörige der unteren Mittelschicht da. Sie sind zu "reich" für "Medicaid", aber zu arm, um selber eine Versicherung abzuschließen.

Miserable Karten haben auch Bürger mit teuren Gesundheitsproblemen. Versicherungen schreiben ihnen keine Policen. Einer Studie von Wissenschaftlern der Harvard Universität zufolge sterben jährlich 45.000 US-Amerikaner frühzeitig, weil sie keine Krankenversicherung haben.

Nach Darstellung des Forschungsinstituts "Kaiser Family Foundation" kostet es 12.680 Dollar, eine vierköpfige Familie ein Jahr lang zu versichern. Die Pro-Kopf Gesundheitsauslagen sind in den USA höher als in Europa. Dem Verband "Ärzte für eine nationale Krankenversicherung" zufolge liegt das hauptsächlich an den hohen Verwaltungskosten in den USA und an den Profitraten der Versicherungsindustrie. Rund ein Drittel des Versicherungsprämien flössen in Verwaltung und Profit.

epd