"Baby frei Haus", Mittwoch, 23. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
In der französischen Erfolgskomödie "Drei Männer und ein Baby" (1985) wie auch in der Hollywood-Adaption "Noch drei Männer, noch ein Baby" (1987) müssen drei eingefleischte Junggesellen einem entzückenden kleinen Schreihals die Mutter ersetzen. Autor Michael Baier hat die Handlung also nicht erfunden, aber geschickt variiert: weil die Männer, denen das Schicksal in Gestalt einer alleinerziehenden jungen Frau die kleine Rosi vor die Tür setzt, erbitterte Erzfeinde sind.
Selbstredend sind beide, der gealterte Schwimm-Held und der schnöselige Star-Fotograf, traumhafte Komödienrollen. Ähnlich wie Schönheit spielt sich wahre Komik ja im Auge des Betrachters ab: Zum Lustspiel wird der tägliche Konflikt zwischen Bademeister Schollwer, vor Jahrzehnten Goldmedaillen-Gewinner bei Olympischen Spielen, und dem von jungen Frauen umschwirrten Fotografen, weil sie ihn todernst nehmen.
Fritz Wepper und Francis Fulton-Smith spielen die Dauerfehde mit gebührendem Ernst, und gerade dies macht die Kindereien so komisch: Der eine malträtiert den Musikgeschmack des Nachbarn mit den Kastelruther Spatzen, der andere revanchiert sich mit lautstark dargebotenen sexuellen Ausschweifungen. Und dann geschieht das kleine Wunder: Erst schieben sie den Korb mit Rosi zwischen sich hin und her wie einen Schwarzen Peter, dann wetteifern sie darum, der bessere Papi zu sein.
Baier ergänzt die schlichte Grundidee immer wieder um hübsche Einfälle und originelle Nebenfiguren, etwa einen Polizisten, der die beiden Väter wider Willen für ein schwules Pärchen hält, das ein Kind adoptiert hat; und dann ist da noch Nachbarin Schaller (Carmen-Maja Antoni), die erst die beiden Streithähne und dann erst recht das vermeintliche Paar immer wieder wegen wiederholter Ruhestörung auf die Hausordnung verweist. Dank der Spielfreude von Wepper und Fulton-Smith sackt die innere Spannung auch nicht ab, als die beiden das Kriegsbeil begraben und sich rührend um das Baby kümmern; selbst wenn es beinahe schade um die wunderbaren Dialogduelle ist (Regie: Franziska Meyer-Price).
Am Ende stellt der Film sogar die Naturgesetze auf den Kopf: Weil irgendjemand beim Schnitt einen Schwenk in die Gegenrichtung offenbar für wirkungsvoller hielt, wird in einer der letzten Einstellungen gut sichtbar Rauch von einem Kamin eingesogen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).