UN in der Krise: "2010 kann nur besser werden"
Das Jahr 2009 war bei den Vereinten Nationen vor allem ein Jahr der Durchhalteparolen. Ob nach dem gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen oder nach dem Anschlag auf ein UN-Gästehaus in Afghanistan, die Aussagen klangen stets etwas nach Mutmachen. So zeigte sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nach der Klimakonferenz erleichtert und nannte das unverbindliche Abschlussdokument, das keine festen CO2-Reduktionen vorsieht und vom Plenum lediglich zur Kenntnis genommen wurde, "einen Anfang".
23.12.2009
Von Jan Dirk Herbermann

Als die radikal-islamischen Taliban am 28. Oktober mit einem Selbstmordattentat in Kabul fünf UN-Mitarbeiter töteten, sagte Ban: "Wir stehen den Menschen in Afghanistan bei, und das werden wir auch morgen tun." Die Mission zum Aufbau des zerrissenen Landes werde nach dem Anschlag, der als eine der schwersten Attacken in die UN-Geschichte eingeht, fortgeführt. Gleichzeitig zog die Organisation die Hälfte ihrer Beschäftigten aus Afghanistan ab.

Der Anschlag symbolisiert auf drastische Weise die Schwäche der Vereinten Nationen - am Hindukusch, und auch weltweit: hilflos, schutzlos und oft auch mutlos. Auf keinem ihrer großen Aktionsfelder erzielten die UN im abgelaufenen Jahr einen durchschlagenden Erfolg: weder im Einsatz für Frieden und Menschenrechte, noch im Kampf gegen Armut und Umweltzerstörung.

Wenig Raum für Optimismus

"Das Jahr 2009 war kein gutes Jahr für uns", räumt ein UN-Mitarbeiter ein. "2010 kann nur besser werden, hoffentlich auch in Afghanistan." Doch die Lage vor Ort lässt wenig Raum für Optimismus. Die UN-Mission in Afghanistan sei in sehr schlechter Verfassung, urteilt der Afghanistan-Experte und Publizist Edward Girardet. Die Koordination sei mangelhaft, die Glaubwürdigkeit beeinträchtigt.

Allein die von den UN mitorganisierten Präsidentschaftswahlen sorgten für Negativschlagzeilen. Der umstrittene Präsident Hamid Karsai wurde zum Staatschef ernannt, nachdem sein Gegenspieler Abdullah Abdullah Anfang November aus Angst vor Manipulationen auf eine Stichwahl verzichtet hatte. Zuvor mussten wegen massiven Fälschungen die Stimmen der ersten Runde neu ausgezählt werden.

Der erste handfeste Skandal in diesem Jahr ereilte die UN im April in Genf: Auf der Antirassismuskonferenz ließ Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad seinem Israel-Hass freien Lauf. Europäische Delegationen verließen den Saal. Andere, wie Deutschland, waren gar nicht erst anwesend, aus Angst, die Kulisse für antisemitische Ausfälle zu geben. Neben der Empörung über Ahmadinedschad brachte die Konferenz fast nichts: Dem erklärten Ziel, weltweit Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz zu bekämpfen, kamen die Länder in Genf nicht näher.

Vorläufig letzte Niederlage: Der Klimagipfel in Kopenhagen

Als fruchtlos erweisen sich auch die Bemühungen der UN, das Atomprojekt des Irans zu stoppen. Trotz Drohungen führender Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, neue Sanktionen zu erlassen, setzt Teheran sein Katz- und Mausspiel unbeirrt fort. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA), eine UN-Agentur, scheint ebenfalls ratlos.

Ob in Sudans Krisenregion Darfur, im Kongo oder in Sri Lanka, nirgendwo brachten die UN die Waffen zum Schweigen. Auch der Einsatz gegen Hunger und Armut brachte vor allem Ernüchterung: Zwar einigten sich die Staaten auf dem Welthungergipfel in Rom auf eine wohlfeile Erklärung. Doch die Politiker legten sich nicht verbindlich fest. Vergeblich warnte Jacques Diouf, Generaldirektor der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO): "Hungrige Menschen sind wütende Menschen." Er verwies zugleich darauf, dass die Lebensmittelkrise immer stärker zu einem Sicherheitsproblem werde.

Die vorläufig letzte Niederlage steckten die UN auf dem Klimagipfel in Kopenhagen ein. Nach mühevollem Ringen einigten sich die 193 Teilnehmerstaaten nur darauf, einen unverbindlichen Kompromiss "zur Kenntnis zu nehmen". Konkrete Beschlüsse gegen die drohende Klimakatastrophe gab es keine. Mitverantwortlich für das Debakel ist nach Einschätzung des Präsidenten des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. "Die Stimme der Vereinten Nationen war am Ende zu klein und zu leise."

epd